120 - Sterben in Berlin
sie bei den Gästen der Königin verloren hatte.
»Meister Johaan, mein Herr, hat mich mit einer Botschaft zu dem Botschafter von Braandburg geschickt.« Ihr harter Akzent klang eigenartig, passte aber irgendwie zu dem herben Ausdruck ihres schönen Gesichts. Aus der Nähe sah Bulldogg, dass ihre Haut grobporig war, was ihrer Schönheit aber keinen Abbruch tat.
Er ersparte ihr und sich den Hinweis darauf, dass Braandburg nicht mehr existierte, folglich auch keinen Gesandten mehr beschäftigte. »Was für eine Botschaft?«, fragte er stattdessen.
»Meister Johaan hat Osgaard von Braandburg für Morgen in sein Haus bestellt.«
»So, so«, knurrte Bulldogg. Irgendwas an der Angelegenheit passte ihm ganz und gar nicht.
Inzwischen hatten sie das Hauptportal erreicht. Bulldogg zog es auf. Er merkte, dass sie seine vierfingrigen Hände betrachtete. »Du siehst aus, als hättest du so manchen Kampf gefochten«, sagte sie, während sie nebeneinander die Stufen der Vortreppe hinunter stiegen. »Wo hast du dein Auge verloren und wer hat dir deine Zeigefinger abgeschlagen?«
»Lange her«, knurrte Bulldogg. »Warum soll Osgaard zu Meister Johaan kommen?«
»Nun, du musst verstehen…« Die Wachen am Außentor salutierten. Sie betraten die breite Straße zwischen Osttor und Westtor. »… das darf ich nicht sagen.« Sie lächelte ein bezauberndes Lächeln. »Es geht wohl um wichtige Informationen aus dem kurzen Krieg zwischen Pottsdam und Braandburg. Immerhin haben weder die Königin noch der Fürst den Bündnisvertrag schon unterzeichnet, und Meister Johaan will ihn im Licht der jüngsten Entwicklungen noch einmal prüfen.«
Sie redete, als wäre sie Meister Johaans Privatsekretärin, ja Beraterin. Dabei war sie doch weiter nichts als eine Mätresse, die seine Nächte würzte und die eine oder andere Stunde des Tages möglicherweise auch. Aber wie zuckersüß sie lächeln, wie aalglatt und verschnörkelt sie reden konnte! Bulldogg hatte gehört, dass eine Menge Leute in der Siedlung sie bewunderten; Männer vorwiegend. Und er begriff allmählich, warum.
Vor dem Eingang zu Johaans Gartengrundstück blieben sie stehen. Inzwischen war es dunkel geworden. Öllampen brannten rechts und links des Tores und über der Haustüre.
»Ich schätze, Meister Johaan wird meiner Königin morgen früh über dieses Treffen berichten. Denn Osgaard und seine Leute werden grundsätzlich und überall hin von meinen Soldaten begleitet.« Bulldogg hatte sich seine Abschiedsworte sorgfältig zurecht gelegt.
»Natürlich«, sagte Naura und öffnete das Tor. »Ich muss dir etwas zeigen, komm mit mir.«
Noch bevor Bulldogg antworten konnte, schritt sie auf dem Kieselsteinweg dem Haus entgegen. »Was zeigen?« Der Oberst schaukelte hinter ihr her.
Naura war schon auf der Treppe, drehte sich um, winkte ihm. »Komm nur, es dauert nicht lang.« Sie schloss die Tür auf und verschwand im Haus.
In Bulldogg erwachte das Misstrauen. »Da bin ich ja mal gespannt.« Er lockerte sein Kurzschwert in der Scheide, warf den leeren Proviantbeutel über die Schulter und stieg die Stufen hinauf. Kaum betrat er den kleinen Empfangsbereich, drückte Naura schon die Tür zu.
Bulldogg sah sich um, Öllampen brannten neben den Türen und an der Wand neben der Treppe ins Obergeschoss. »Wo ist Meister Johaan, und was willst du mir zeigen?«
»Meister Johaan liegt schon im Bett«, flüsterte sie. »Ihm war nicht wohl heute.« Sie legte den Zeigefinger auf ihre Lippen. »Ich liebe raue und starke Männer wie dich«, flüsterte sie.
»Was is?«
Sie nahm ihren Stirnreif ab, setzte ihn auf ein Tischchen unter der Garderobe und ließ ihren Umhang fallen. Ihr Kleid war tief ausgeschnitten und rahmte ihre weißen Schultern nur ein. »Mich will ich dir zeigen, mein starker Oberst.« Sie löste die Haken ihres roten Samtkleides, griff blitzschnell nach seiner Hand und legte sie auf ihre rechte Brust. »Nun, wie gefällt dir das?«, hauchte sie. »Komm, mein starker Krieger…«
Einen Atemzug lang war Bulldogg vollkommen überrumpelt. Doch rasch gewann er seine Fassung wieder, entwand ihr seine Hand und griff nach der Türklinke.
»Es gefällt mir ungefähr so gut wie die Anwesenheit des Braandburger Schnösels im Palast«, fauchte er und riss die Tür auf. »Zuhause wartet meine Frau. Ich habe sie gegen meinen alten Frekkeuscher getauscht. Aber sie ist mehr wert als dieser Garten und dieses Haus zusammen.« Von oben bis unten musterte er die zu Eis erstarrte Naura.
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