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120 - Sterben in Berlin

120 - Sterben in Berlin

Titel: 120 - Sterben in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Auch stinkt er. Und er sagt: »Osgaard von Braandburg und seine letzten Getreuen bitten um Asyl, meine Königin.« Seine Augen sind grau und kalt. Sie gefallen Anniemouse nicht. Sie will, dass er wieder in den Wald geht.
    Miouu steht neben Canada, und Anniemouse fasst nach ihrer Hand und zieht daran. »Was ist das, Asyl?«, flüstert sie.
    »Ein Ort, an dem einem nichts passieren kann«, sagt Miouu.
    »Ein Ort, wo man ohne Angst und Sorge einschlafen kann.«
    Ist Canada mein Asyl?, fragt sich Anniemouse. Oder ist es Jennymoms warme Brust? Oder ist Dad mein Asyl?
    Johaans schöne neue Frau flüstert mit Johaan. Gertruud will, dass Jennymom Osgaard und seine Freunde wegschickt. Das findet Anniemouse gut, auch wenn Gertruud eine Zicke ist.
    Johaan ist dagegen, sagt aber nicht viel. Jennymom befiehlt Sergant Deenis, Osgaard und seinen Freunden eine Schlafstätte im Palast und etwas zu essen zu geben. Schade.
    Johaans schöne neue Frau hakt sich bei ihm unter.
    Anniemouse sieht ihre Augen und erschrickt. Sie sind weder böse noch lieb, sie sind… nichts. Anniemouse fröstelt. Und plötzlich weiß sie, dass Johaans schöner neuen Frau etwas zustoßen wird. Der Eindruck überfällt sie wie ein schlechter Traum und sie beginnt zu weinen.
    Jennymom nimmt sie aus dem Hundesattel und drückt sie an sich. »Was ist denn heute mit dir los, Kleines?«
    »Johaans neue Frau«, schluchzt Anniemouse. »Hat sie denn keine Mom, die auf sie aufpasst?«
    ***
    Schweigend schritt Bulldogg den vier abgerissenen Gestalten voran. Sein Hauptwebel trug die zwei Fackeln, drei Serganten folgten mit Handtüchern und frischen Kleidern. »Jeder von uns kann einmal in so eine Lage geraten«, hatte die Königin gesagt.
    »Und jeder von uns wird dann froh sein, wenn ihm irgendwo Asyl gewährt wird.«
    Der Oberst der Palastwache sah das anders: Sollte er sich je aus eigener Dummheit so tief in die Taratzenscheiße reiten, wie Osgaard es aus purer Dummheit getan hatte, würde er sich auch aus eigener Kraft wieder daraus retten.
    Davon abgesehen musste man den Braandburger ja nicht gleich im Palast unterbringen und ihm die Benutzung der königlichen Badesäle gestatten. Doch die Königin bestand darauf, Osgaard als Vertreter der Braandburger Regierung zu behandeln. »So wie ihr auch mich behandelt sehen wollt, sollte ich je als Flüchtling ans Tor einer fremden Siedlung klopfen müssen«, hatte sie gesagt.
    Osgaard hatte dem ehemaligen Heerführer und Botschafter des ehemaligen Braandburg zwei Räume im dritten Obergeschoss des nördlichen Palastflügels zuteilen lassen.
    Einen hatten Beelinner Handwerker im letzten Winter leidlich restauriert, bei dem zweiten hatten sie Mauerlücken und Fensteröffnungen vorerst mit Brettern vernagelt, um wenigstens Regen und Wind abzuhalten. Keine Räume im Palast lagen weiter entfernt von den königlichen Gemächern als diese, und keine näher an den Unterkünften und Diensträumen der Palastwache – nämlich direkt daneben, darüber und darunter.
    Einer der Fackelträger stieß die Tür auf, ging hinein und steckte die Fackel in eine Wandhalterung. Vor dem großen Fenster dämmerte bereits der Abend. Die Tür zum benachbarten Raum stand offen, darin war es dunkel. Bulldogg und die Gäste traten ein. »Hier könnt ihr vorerst bleiben«, sagte der Oberst.
    Osgaard sah sich um, nahm die Fackel von der Wand, ging zur nächsten Tür und leuchtete in den angrenzenden dunklen Raum hinein. Seitdem er sich in einem Nebenraum der königlichen Küche den Bauch vollgeschlagen und zwei Becher Wein getrunken hatte, bewegte er sich wieder ähnlich schnell und zackig, wie Bulldogg ihn früher schon erlebt hatte: Als sei jemand hinter ihm her, und als hätte er einen Speerschaft verschluckt. »Danke«, sagte er knapp. Und dann: »Ich brauchte noch ein paar Eimer Wasser und ein paar Putzlumpen.«
    Seine schmalen Lippen waren grau, Falten der Verbitterung und des Ekels hatten sich zwischen Nasenflügeln und Mundwinkeln in sein Gesicht gegraben. Bulldogg sah ihm an, wie peinlich es dem Mann war, als Bittsteller und Flüchtling an den Ort zurückgekehrt zu sein, den er in besseren Zeiten durch so manche politische Intrige und durch so manches Attentat zu schwächen versucht hatte.
    »Vier Putzmenen waren hier den halben Nachmittag über beschäftigt, Osgaard«, knurrte Bulldogg. »Aber wie du willst.«
    Er wusste, dass der ehemalige Heerführer und Botschafter von Braandburg einer Art Sauberkeitswahn verfallen war. Wie es aussah, hatten

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