120 - Sterben in Berlin
bei einem Anschlag auf die Königin ums Leben gekommen, und Männer meines Volkes…«
»Gertruud weg?« Rudgaar musterte den Halbwüchsigen aus schmalen Augen. »Miouu tot?« Tilmo war ein zuverlässiger Bote, und er liebte Königin Jenny. Unvorstellbar, dass er ihn hinters Licht führte. Der Hundemeister wandte sich ab, ging zu einem einzelnen Käfig und setzte sich drauf. Er schüttelte den Kopf. »Seltsam, in Pottsdam ist Gertruud nicht aufgetaucht. Und ich weiß auch nichts von einem Mordplan auf die Königin von Beelinn oder ihre Leibwächterin. Warum hat Meister Johaan dich nicht längst mit diesen Neuigkeiten zu mir geschickt? Ich versteh das nicht…«
»Es ist, als hätte er vergessen, dass ich sein Laufbote bin und du sein Kundschafter in Pottsdam. Man sagt, er kümmere sich nur noch um sein schönes neues Weib, und man sagt, die Mätresse beherrsche ihn. Aber da ist noch eine weitere…«
»Blödsinn!« Rudgaar schnaubte ärgerlich. »Meister Johaan ist viel zu klug, um sich von einer Frau beherrschen zu lassen!«
»Ich weiß nicht, Meister Rudgaar…« Der Junge zuckte mit den Schultern. »Bei uns Räubern gibt es ein Sprichwort: Orguudoo scheißt am liebsten in die saubersten Ecken.« Er ging in die Hocke und begann Greifs dichtes schwarzes Fell zu kraulen. »Aber jetzt höre endlich die letzte Nachricht: Männer meines Volkes haben einen Mann aus Beelinn aufgegriffen, der mit einer Botschaft an Bolle Karajan auf dem Weg nach Pottsdam war. In der Botschaft wird der Fürst vor einem Spion namens Rudgaar an seinem Hof gewarnt und vor dessen Laufboten, dem Waldmann Tilmo.«
»Verflucht.... Wo ist der Mann?«
»Sie haben ihn getötet. Naura hat ihn bezahlt.«
»Schon wieder diese Schwester Orguudoos…!« Rudgaar starrte durch Tilmo und den Doyzdogger hindurch. »Sie müsste längst tot sein…« Seine Miene verfinsterte sich zusehends, er brütete über die Worte des Jungen.
»Ich habe Meister Johaan vor dieser Mörderin und vor zwei Spioninnen gewarnt. Ich bin sicher, er hat die Warnung ernst genommen. Lucida und ihre Sippe müsste längst im Kerker sitzen, und seine Mätresse müsste längst ihren Kopf verloren haben. Geh zurück nach Beelinn, Tilmo, und überzeuge dich davon, dass es sich genau so verhält…«
***
Beelinn, Mitte August 2520
»Was sagen die Leute über mich?« Naura kraulte dem Sergant den Nacken. Es war dunkel, und sie hatten sich in Johaans Gartenpavillon getroffen.
Deenis kniete vor ihr auf dem Boden und liebkoste ihren Schenkel. »Sie bewundern dich, sie begehren dich. Manche halten dich für eine Göttin.«
»Die Frauen meine ich – was sagen die?«
Der Sergant hob den Kopf. »Ist das so wichtig?«
Naura packte in bei den Ohren, zog ihn zwischen ihre Schenkel und beugte sich über ihn, bis ihre Stirn die seine berührte. »Sonst würde ich dich nicht danach fragen!«, zischte sie. »Die Wahrheit!«
»Die Frauen… also… sie zerreißen sich die Mäuler über dich, sie… sie…«
»Ja?«
»Sie nennen dich eine Hure. Sie sagen, du würdest ihren Männern die Köpfe verdrehen, du würdest ganz Beelinn verderben. Sie hassen dich…«
»Und diese Edelgaar ist die Schlimmste, stimmt’s?«
Sergant Deenis nickte hastig. »Sie hat die Männer auf dem Marktplatz beschimpft, weil sie dich nicht längst aus der Stadt getrieben haben. Ein Freund von Oberst Bulldogg hat sogar gesagt, man sollte dir einen Stein um den Hals werfen und dich in die Spree werfen.«
»Wie heißt der Held?«
»Maakus. Ein alter Kerl. Er kann dir nicht gefährlich…«
»Hör zu, mein Kleiner.« Naura ließ seine Ohren los. »Ich brauche Kleidung und Waffen. Ganz bestimmte Kleidung und ganz bestimmte Waffen.« Sie erklärte ihm genau, welche Art von Kleidern und Waffen er zu beschaffen und wo er sie hinzubringen hatte. »Und jetzt zu Edelgaar, dieser Giftspritze – ich kenne ihren Mann, aber ich weiß nicht mehr, ob ich schon bei ihr im Haus war. Es gibt so viele Häuser hier in Beelinn.«
»Wenn du sie besuchen willst, musst du dich beeilen. Edelgaar will Beelinn verlassen und nach Pottsdam ziehen. Sie verabscheut es, noch länger mit ihrem Mann unter dem selben Dach und innerhalb derselben Stadtmauer zu wohnen; das hat sie gesagt.«
Naura nickte langsam. Diese Entwicklung schien ihr zu behagen, denn sie lächelte. »Führe mich zu dem Haus und zeige mir das Fenster, hinter dem die Giftspritze schläft.«
***
Kurz vor dem Morgengrauen, als der Schlaf die Bewohner Beelinns noch einmal
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