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120 - Sterben in Berlin

120 - Sterben in Berlin

Titel: 120 - Sterben in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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verschwunden ist, wird wieder mehr geplaudert und gelacht in Beelinn, glaubt Anniemouse. Auch zuhause im Palast.
    Ein blonder Mann geht jetzt dort ein und aus. Er plaudert mit Jennymom und Miouu, er lacht viel mit den beiden. Dass er mit Miouu plaudert und lacht, macht Anniemouse nichts aus.
    Soll er doch. Aber dass er mit Jennymom plaudert und lacht, das ärgert sie. Es gefällt ihr nicht. Commander Dad sollte mit Jennymom plaudern und lachen und nicht irgendein Fremder.
    Sie kommen am Osttor an. Wulfgang hebt Anniemouse aus dem Sattel. Sie klettert die Stufen zum Wehrgang hinauf.
    Canada und die Soldaten folgen ihr. Oben nimmt Wulfgang sie auf die Schulter, sodass sie über die Mauerkrone auf die Felder und den Wald hinunter blicken kann. Lange Zeit sitzt sie da auf den Soldatenschultern und späht nach Osten in die Ferne.
    Solange hält sie Ausschau, bis sie Hunger oder Durst bekommt. Dann klettert sie die Treppe wieder hinunter.
    Wulfgang setzt sie in den Hundsattel, und nach Hause geht es, zu Jennymom.
    Sie beugt sich über Canadas Hals und flüstert ihm ins schwarze Pelzohr. »Anniemouse ist ein wenig traurig, Canada«, flüstert sie. »Commander Dad ist wieder nicht gekommen…«
    ***
    Pottsdam, Anfang September 2520
    Zwischen zwei Kriegern der fürstlichen Leibgarde überquerte ein Mann den Platz vor der Fürstenburg. Rudgaar erkannte ihn von fern und ahnte plötzlich, dass er keine Zeit mehr zu verlieren hatte. Der Mann hieß Rotaa. In allerhand geheimer Missionen hielte er sich meistens im Wald zwischen Pottsdam und Beelinn auf.
    Rudgaar wich zurück in den Torbogen zur Kaserne, drückte sich an die Palisade und spähte um die Ecke: Rotaa und seine Eskorte betraten die Fürstenburg. Das konnte nur eines bedeuten: Rotaa wollte Bolle Karajan irgendwelche Nachrichten überbringen, die ihm ein Späher aus Beelinn anvertraut hatte. Die dunkle Ahnung in Rudgaars Brust verdichtete sich zur Gewissheit tödlicher Gefahr. Dennoch floh er nicht. Er band seine beiden Doyzdogger unter dem Torbogen fest und ging zurück in die Kaserne. Er zwang sich zu langsamen Schritten.
    Neben der Schmiede gab es eine kleine Hundekoppel im Kasernenhof. Von ihr aus führte eine Tür zu Hundezwingern, die der Fürst für den Kriegs- und Belagerungsfall hatte einrichten lassen. Zur Zeit waren sie leer. Als Rudgaar sie betrat, beglückwünschte er sich, zwei Tage zuvor seine große Familie bei einem Stamm der Waldmenschen – der sogenannten »Räuber« – in Sicherheit gebracht zu haben.
    Er betrat den letzten Zwinger. Dort entzündete er eine Öllampe, öffnete die Geheimluke an der Rückwand und schlich gebückt durch einen langen Gang. Stimmen näherten sich, und schließlich erreichte er eine aus grob behauenen Steinen gemauerte Wand. Die Stimmen waren jetzt deutlich zu hören.
    Der Lichtschein fiel auf eine Stelle in der Wand, an der ein Stein fehlte. Am Ende der entstandenen Lücke versperrte eine Holzwand die Sicht in den angrenzenden Raum. Die Holzwand war auf der anderen Seite mit einer Landkarte beklebt, und sie verkleidete eine der vier Wände von Bolle Karajans Gerichts- und Beratungskammer. Rudgaar steckte den Kopf in die Mauerlücke und lauschte. Er hörte Siimns Stimme, die Stimme des Fürsten und schließlich auch Rotaas Stimme. Jedes Wort konnte er verstehen.
    »… er hat Naura ermordet, das ist sicher! Seit zehn Tagen ist der Bursche jetzt in Beelinn. Es heißt, er wohne in Meister Johaans Haus und habe freien Zutritt in den Palast. Angeblich hat er was mit der Königlichen Leibwächterin. Er stammt aus Gödenboorg, kann lesen und schreiben, und so weiter. Arnau nennt er sich. Angeblich spricht er eine Menge Dialekte. In Beelinn geht die Rede, die Königin wolle ihn statt Lucida zu ihrem neuen und vorläufig einzigen Berater machen…«
    »Bei allen Dämonen des Waldes und der Ruinen…!« Ein Stuhl fiel um, und Rudgaar hörte den Fürsten schreien.
    »Warum weiß ich nichts von dem Kerl! Warum versagen deine Spione, Siimn!?«
    »Ich frage mich schon lange, warum Olaaf mir keine Boten mehr schickt.« Jetzt ergriff Siimn das Wort. »Wenn der Fremde es tatsächlich geschafft hat, Naura zu töten, dann muss er äußerst gefährlich sein. Gefährlich für uns.«
    »Und was tun wir jetzt?!«, schrie der Fürst. »Sag es mir! Was?!«
    »Wir sollten handeln, bevor wir zur Vertragsunterzeichnung zu Königin Jenny reisen. Schicke eine bewaffnete Abordnung nach Beelinn. Sie soll Stimmung gegen den Mann machen. Immerhin ist er

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