1200 - Operation Ikarus
Fingern durch ihr Haar. So etwas war ihr noch nie untergekommen. Sie wusste auch nicht, wie sie sich verhalten und was sie dazu sagen sollte. Deshalb hatte sie sich eines Kommentars enthalten, aber was man ihr da berichtet hatte, war schon unglaubwürdig und eigentlich nicht zu begreifen.
Ein Mensch mit Flügeln. Ein junger Mensch. Einer, der tatsächlich fliegen konnte.
Gesehen hatte sie es noch nicht, aber sie glaubte den Erzählungen, die sehr intensiv gewesen waren. Die beiden Mädchen hatten kein Blatt vor den Mund genommen, und Maxine wusste jetzt, in welcher Gefahr sie geschwebt hatten und noch immer schwebten.
Ihnen war ein Killer nachgeschickt worden. Einer aus dem Home. Aus dieser verfluchten Menschenfabrik, in der die neuen Wesen regelrecht gezüchtet wurden.
Das war nicht zu fassen. Auch weil es praktisch direkt vor der Haustür geschah. Nur eben versteckt im Wald.
Sie wusste nicht, was sie denken sollte. Aber sie brauchte sich Carlotta nur anzusehen, um zu wissen, dass hier ein Produkt der Wahrheit vor ihr saß.
Mittlerweile hatte sich Carlotta auch an die Anwesenheit der Tierärztin gewöhnt. Zu Beginn war sie ihr mit Misstrauen begegnet, doch sie hatte erfahren können, dass Maxine es ehrlich meinte, und jetzt war das Band des Vertrauens zwischen den dreien geknüpft.
Und es gab jede Menge Probleme. Sogar lebensgefährliche, wenn Maxine das richtig sah. Carlotta war die Flucht gelungen.
So konnte jetzt alle Welt über sie Bescheid wissen. Über einen Menschen, der fliegen konnte. Das war verrückt. Das war bisher ein Traum der Menschheit gewesen, nun aber war der Traum in Erfüllung gegangen.
Wenn das die Öffentlichkeit erfuhr, würde es einschlagen wie eine Bombe. Das war die Entdeckung überhaupt. Aber Maxine schloss mittlerweile nichts mehr aus und brauchte nur an die Riesenratte zu denken, mit der ihre Schwester Florence so verbunden gewesen war.
Auch eine Mutation. Wobei sie sich weigerte, Carlotta als Mutation anzusehen. Sie wusste überhaupt nicht, wie sie das Mädchen einschätzen sollte.
Als Objekt geheimer Forschungen der Gen-Industrie, die sich möglicherweise mit dem Militär verbunden hatte und natürlich den Finanziers.
Immer wieder war dieser Begriff »Home« gefallen. Das Versteck in den Bergen und den Wäldern. So etwas konnte man nicht über Jahre hinweg geheim halten. Je länger die Ärztin darüber nachdachte, umso mehr klärte sich der Schleier.
Ja, sie hatte schon davon gehört. Das gab es. Ein Institut im Wald. Ein privates. Es gehörte einem Professor, der dort seinen Forschungen nachging.
Angeblich harmlosen. Innerlich lachte sie auf. Nichts war harmlos. Man konnte nur immer gut kaschieren. Offiziell wurde in diesem Institut etwas für die Umwelt getan.
Was das genau war, das wusste die Ärztin auch nicht. Sie hatte sich dafür nicht interessiert, doch jetzt war ihr klar, dass sie nachhaken wollte.
Wenn jemand etwas wusste, dann Rick Foster. Der hatte seine Augen und Ohren überall. Er würde sich wundern, wenn er am nächsten Morgen einen Anruf bekam.
Die beiden Mädchen hatten die Pizzastücke gegessen. Jetzt sahen sie auch nicht mehr so müde aus. Nach Hause lassen konnte Maxine Rosy Mills nicht. Ihre Eltern waren verreist. Da konnte es nicht verantwortet werden, sie in ein leeres Haus zu lassen.
»Hat es euch geschmeckt?«
»Klar, war super!«, erwiderte Rosy für ihre Freundin gleich mit.
»Dann bin ich ja zufrieden«, sagte die Ärztin und räusperte sich. »Aber das Leben geht weiter, und morgen beginnt ein neuer Tag. Das sollten wir nicht vergessen.«
»Babur ist unterwegs.«
»Ja, Carlotta. Ich denke auch, dass er nicht aufgeben wird. Das kann er sich einfach nicht leisten.«
»Dann müssen wir zur Polizei gehen«, schlug Rosy vor.
Max überlegte. »Ich weiß nicht, ob das so gut ist, Kind. Man wird dir nicht glauben. Man hat bisher alles unter einem Deckel halten können. Ich kann mir vorstellen, dass unsere Polizei euch erstens nicht glaubt, und wenn dann wird Carlotta eingesperrt, damit man sie untersuchen kann. Dabei will ich den Polizisten keine böse Absicht unterstellen, doch sie werden sich an die Personen wenden, denen sie etwas zutrauen, und das könnten diejenigen sein, die Carlotta großgezogen haben.«
»Stimmt«, bestätigte das Mädchen.
»Kennst du denn ihre Namen?«
»Nicht alle. Wir waren auch immer unten und durften nur in der Nacht mal raus. Da waren viele Mitarbeiter nicht mehr da. Wir hatten unsere eigene
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