1200 - Operation Ikarus
zeigen, in dem ihr übernachten könnt.«
»Das wollten wir auch«, sagte Rosy. »Ich habe Angst, in unser Haus zu gehen. Der Killer hat sogar die Tür zerstört. Aber weißt du, wer noch dort ist?«
»Nein.«
»Napoleon, der Kater.«
»Oh, das ist schlimm.«
»Ich wollte ja heute mit ihm zu dir kommen. Er hinkt etwas. Ich will, dass du…«
»Weißt du, was?«, sagte die Tierärztin, bei der die Müdigkeit verschwunden war. »Ich werde mich gleich aufs Rad schwingen und ihn holen. Es ist ja nicht weit.«
»Oh - echt?«
Sie strich über Rosys Haar. »Versprochen.«
»Super. Dann geht es mir wieder besser.« Für einen Moment war sie wieder das fröhliche und sorgenlose Mädchen, wie es sich eigentlich gehörte. Das würde nicht lange anhalten.
Maxine wollte auch nicht daran denken, was alles noch auf sie zukommen konnte.
Aber einer würde ihr sicherlich helfen können.
Auch wenn es noch mitten in der Nacht war, sie würde John Sinclair anrufen…
***
Der Traum - mein Traum!
Irgendwie bleibt eben der Job auch im Unterbewusstsein hängen, und das bekam ich wieder mal zu spüren, denn mich hatte ein Albtraum erwischt. Ich befand mich in einer großen Höhle, aus der es keinen Ausgang gab. Dafür waren die Wände undicht. In unregelmäßigen Abständen tauchten die schrecklichsten Monster auf, die mit ihren langen Fangarmen nach mir greifen wollten.
Bisher war es mir gelungen, ihnen zu entwischen, aber mein Glück hielt nicht die ganze Zeit über an. Irgendwann schnappten sie mich, engten mich ein, schlugen ihre Arme um mich wie Kraken ihre Tentakel und zogen mich immer näher zu sich heran.
Mäuler öffneten sich. Zungen schnellten hervor und schlugen nach mir. Sie klatschten in mein Gesicht, und aus den Mäulern drangen so komische Laute, die sich regelrecht in meinen Kopf hineinbissen und nicht aufhören wollten.
Die Monster verschwanden. Die Fangarme ebenfalls, aber das Geräusch blieb bestehen. Bis ich begriff, dass es ein modernes Monster war, ein Telefon eben.
Ich war wach!
Keine Fratzen mehr, keine Fangarme, kein Würgen, dafür war die Dunkelheit geblieben.
Und das Geräusch.
Ebenso die rote Digitalanzeige der Weckuhr. Drei Uhr und eine Minute.
Eine Scheißzeit für einen Anruf. Ich schaltete das Licht der Leuchte auf dem Nachttisch ein. Mit einer trägen Bewegung griff ich nach dem Hörer und meldete mich mit einer Stimme, die den Anrufer sicherlich erschreckte. Es sollte mein Name sein, doch nur Insider hätten das erkannt.
»John Sinclair?«, hörte ich eine weibliche Stimme.
»Wenn es sein muss. Aber ein Sinclair, der ziemlich sauer ist, wenn man ihn um diese Zeit grundlos anruft.«
»Es gibt einen Grund. Einen sehr triftigen sogar.«
»Wer sagt das?«
»Maxine Wells!«
Ich war noch nicht richtig in der Welt, und so bekam ich mit dem Namen Schwierigkeiten. »Müsste ich Sie kennen?«
»Vor einigen Monaten haben wir uns noch geduzt.«
»Ach. Haben wir das?« Ich merkte, wie mein Ärger anstieg, denn es gab so einige Frauen, die ich duzte. Das war noch längst kein Grund, mitten in der Nacht anzurufen.
»Du erinnerst dich nicht?«
Verdammt, da löste sich die Scheuklappe. Natürlich erinnerte ich mich an Maxine Wells, an ihre Schwester Florence, an die Ratten und auch an das Rattenloch.
»Sorry, Max, aber ich habe tief geschlafen und war von der Rolle. Du bist es also.«
»Ja, und ich rufe nicht an, um dir nur einfach einen guten Morgen zu wünschen.«
»Kann ich mir denken. Hast du wieder Probleme mit den Ratten? Sind noch welche vorhanden?«
Ich hatte mich inzwischen hingesetzt und hörte die Antwort.
»Nein, Ratten sind es nicht. Es geht vielmehr um fliegende Menschen, John. Menschen mit Flügeln.«
»Bitte? MUSS das sein?« Ich fuhr mir durch das struppige Haar. »Um diese Zeit, wo ich auf der Bettkante hocke?«
»Eine andere Zeit wäre mir auch lieber gewesen. Aber du kannst mir glauben, John, es ist wirklich dringend.«
»Gut, dann lass hören.«
Ich wurde immer wacher, je länger Maxine Wells erzählte.
Schließlich kam ich mir vor wie frisch aus der Dusche getreten, und Maxine brauchte keine große Überzeugungsarbeit zu leisten.
»Okay, ich bin so gut wie unterwegs. Wahrscheinlich bringe ich Suko mit. Das scheint mir eine heiße Kiste zu sein.«
»Eine verflixt heiße sogar. Du hast meine Adresse?«
»Nein.«
»Dann gebe ich sie dir jetzt durch. Ich würde dich gern am Flughafen abholen, aber es kann sein, dass ich im Haus bleiben muss. Du weißt, ich bin
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