1200 - Operation Ikarus
Wänden wohnten. Nichts war leer und kalt. Sie sah die Möbel, sie sah das innen offene Haus, und sie schaute dabei in die Höhe bis hoch unter die Dachkonstruktion.
Niemand hatte beim Verlassen des Hauses sämtliche Lampen gelöscht. So waren noch die schwachen Lichter zu sehen, die ihren Schein ausbreiteten. Hier im Eingangsbereich wie hoch oben. Wahrscheinlich in Rosys Zimmer.
Maxine ging auf die linke der beiden Treppenhälften zu. Auf der ersten Etage erreichte sie eine Galerie. Hier lagen die Zimmer der Eltern, doch da wollte sie nicht hin. Sie suchte nach dem kleinen Kater, der sicherlich verängstigt in seinem Korb hockte. Der Kater war für Rosy wichtig. Sie liebte ihn. Er war ein Stück Heimat in der Fremde. Sie konnte sich an ihn klammern. Es war etwas Wunderbares, wenn sie sein Fell kraulte und sein Schnurren hörte. Eine gute Medizin gegen die Angst.
Die kroch in der Ärztin hoch, je mehr sie sich dem Zimmer der Kleinen näherte. Sie reagierte anders als sonst. Sie konnte sich vorstellen, dass alles nicht mehr so war, wie sie es erwartete. Hier konnte jemand Fremder lauern. Der Killer war noch immer da. Man konnte ihn nicht als Einbildung abtun.
Die Mädchen hatten ihn gesehen, und das allein zählte. Ihre Aussagen waren ungemein wichtig.
Um sich gegen die Kälte auf dem Rad zu schützen, hatte Maxine ihre gefütterte Jacke übergestreift. In deren Tasche befand sich stets eine kleine Lampe. Sie dachte erst jetzt daran.
Als der Strahl die Dunkelhe it durchbrach und sein Ziel an der Zimmertür fand, erschrak sie schon. Die Tür war mit starker Gewalt aufgebrochen worden. Da hatte keiner Rücksicht genommen, und sie spürte auch jetzt den kühlen Wind, der aus der offenen Balkontür drang und gegen ihr Gesicht streifte.
Maxine würde alles so vorfinden, wie die Mädchen es verlassen hatten.
Sie betrat den Raum und blieb stehen!
Die erste Bewegung mit der rechten Hand. Die Lichtlanze wanderte. Der Kegel enthüllte ein Mädchenzimmer, in dem man sich wohlfühlen konnte. Zu beiden Seiten der offenen Fenstertür hingen die Vorhänge, die sich im Wind bewegten.
Die Ärztin ging noch einen Schritt nach vorn, drehte jetzt die Hand mit der Lampe nach rechts und verfolgte den Strahl sehr genau.
Sie erstarrte!
Aber sie zitterte. Genau dieses Zittern übertrug sich auch auf den Lichtkegel, der ein Ziel gefunden hatte, das neben der Wand auf dem Boden lag. Es sah aus wie ein Stück Stoff oder Wolle. Aber das war es nicht. Es war der Kater.
Maxine ging mit zitternden Knien näher. Etwas stockte in ihrer Kehle. Sie war es gewohnt, mit Tieren umzugehen. Sie musste auch manchmal welche mit einer Spritze töten. Doch so wie dieser kleine Kater umgebracht worden war, hatte sie noch nie ein Tier getötet. Jemand musste ihn gegen die Wand geworfen haben. Das hatte der Kater nicht überstanden.
Erst als sie vor dem leblosen Körper stand, wurde ihr bewusst, mit welch einem Menschen sie es bei dem Killer zu tun hatte. Dieses Tier hatte ihm nichts getan. Er hätte es am Leben lassen können. Aber nein, das hatte er nicht getan, sondern es gegen die Wand geschmettert. Passte der Begriff Mensch überhaupt noch? Maxine glaubte es nicht. Den toten Körper wollte sie nicht mitnehmen, sondern ihn irgendwann abholen und auch begraben.
Die Tierärztin drehte sich auf der Stelle und ließ den hellen Lichtstrahl wandern. Es hätte sie nicht gewundert, wenn sie noch andere Hinterlassenschaften gefunden hätte, aber der Mörder hatte sich mit der einen Tat begnügt.
Maxine trat hinaus auf den schmalen Balkon. Der Wind blies ihr von der Seite her gegen das Gesicht und sie überkam plötzlich ein unangenehmes Gefühl.
Sie begann zu zittern, biss sich auf die Lippe und löschte das Licht.
Jetzt war sie keine Zielscheibe mehr. Im Dunkeln fühlte sie sich besser. Sie warf einen Blick über die Brüstung nach unten, um in den Garten zu schauen.
Maxine hielt sich nicht zum ersten Mal in diesem Haus auf.
Sie kannte den Garten der Familie. Davon war jetzt nicht viel zu sehen. Nur die Oberfläche des kleinen Teichs schimmerte heller, als hätte sich dort das Licht der wenigen Sterne verfangen.
Einen Mond sah sie nicht. Der Himmel war dunkel.
Sie ging wieder zurück in das Kinderzimmer und löschte dort das Licht der schwachen Lampe. Dem toten Tier warf sie keinen Blick mehr zu. In der nächsten Zeit verließ sie sich nur auf ihre Taschenlampe und ging langsam die Treppe hinab. Sie wäre gern schneller gegangen, aber sie traute
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