1200 - Operation Ikarus
sich irgendwie nicht. Stufe für Stufe ließ sie mit behutsam gesetzten Schritten zurück, und sie hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr allein zu sein.
Irgendetwas hatte sich verändert. Noch war es nicht zu sehen, aber der innere Drang war so stark, dass Maxine auf halber Höhe stehen blieb und nach unten leuchtete. Sie verfolgte den Lichtkegel, der ins Leere glitt und keine fremde Person traf.
Wenn jemand ins Haus geschlichen war, dann hielt er sich verborgen.
Reiß dich zusammen!, fuhr sie sich selbst an. Spiele jetzt nicht verrückt! Hier ist niemand außer dir. Du bist allein. Alles andere bildest du dir ein.
Maxine ärgerte sich über sich selbst. Sie war kein ängstlicher Mensch, und sie fragte sich jetzt, wo ihr Mut geblieben war.
Als sie nach einigen Sekunden noch immer nichts vernommen hatte, ging sie weiter die Treppe hinab. Das schmale Lichtband der Lampe wies ihr den Weg, und sie war froh darüber, dass in Parterre noch die Lampe brannte.
Der Anblick der zerstörten Tür riss sie wieder zurück in die realistische Phase. Sie wollte sie nicht so lassen. So wie sie aussah, war sie praktisch eine Einladung für Einbrecher.
Maxine war ein praktisch veranlagter Mensch. Sie machte sich auch keinen Kopf, wenn es um handwerkliche Arbeiten ging. Auch hier packte sie an. Für eine Person war es nicht leicht, die Tür so zurechtzurücken, dass es beim ersten Hinsehen nicht auffiel, wie zerstört sie tatsächlich war.
Später würde sie eine Firma anrufen, deren Mitarbeiter die Tür reparierten.
Während der Arbeit vergaß sie ihre Sorgen und wurde wieder an sie erinnert, als sie über den schmalen Weg schritt, der sich nach unten hin zum Grundstücksende hin absenkte. Rechts und links flankierten sie Büsche. Die normale Straße grenzte an das Grundstück. Sie war menschenleer, und es bewegte sich auch kein Fahrzeug darauf. Die nächste Laterne stand recht weit entfernt. Sie kam der Tierärztin vor wie ein schwach leuchtendes Gestirn.
Ihr Bike stand noch dort, wo sie es abgestellt hatte. Es war nichts damit geschehen. Niemand hatte die Reifen durchstochen oder die Luft rausgelassen.
Alles okay…
Sie drehte das Rad herum, schaute, bevor sie in den Sattel stieg, die leicht abschüssige Straße hinab - und hatte plötzlich das Gefühl, ersticken zu müssen.
Nicht weit entfernt parkte ein dunkler Geländewagen!
***
Maxine Wells ärgerte sich über sich selbst, dass sie so überreagierte. Aber sie wusste genau, dass der Wagen bei ihrer Ankunft dort noch nicht gestanden hatte. Er musste in der Zwischenzeit gekommen sein. Der Fahrer war vermutlich ausgestiegen und in eines der Häuser gegangen.
Nur seltsam, dass sie daran nicht glauben konnte. Etwas in ihrem Innern stellte sich quer, und sie konnte wirklich keine Erklärung finden, warum dies so war.
Maxine blieb stehen, die Hände fest um die Griffschalen der Lenkstange verkrallt. Sie sah den Wagen von der Rückseite.
Sie konnte auch nicht durch das breitere Heckfenster in das Innere schauen, weil alles zu dunkel war. Nur der Außenspiegel gab einen mattsilbrigen Glanz ab.
Tief holte sie Luft. Es war verrückt. Alles konnte eine völlig normale Erklärung beinhalten, aber sie wollte nicht daran glauben. Nicht mehr. In dieser Nacht war einfach zu viel geschehen.
Das Auto kam ihr vor wie ein böses Monstrum, das auf einen bestimmten Augenblick wartete, um starten zu können. Darauf wollte Maxine nicht warten. Sie musste zurück zu den Kindern.
Sie waren wichtiger, nicht ihre Gefühle.
»Okay, denn«, machte sie sich selbst Mut. Sie stieg auf das Rad und fuhr an.
Durch die abschüssige Straße bekam sie schnell Tempo. Das passte ihr auch nicht. Wenn sie den Geländewagen schon passierte, dann wollte sie zumindest einen Blick hineinwerfen.
Sie bremste ab und drehte den Kopf nach links.
Nein, wieder nichts. Hinter der getönten Scheibe malte sich kein Kopf ab. Im ersten Moment beruhigte sie das, aber nach kurzer Zeit, als sie näher darüber nachdachte, bekam sie einen anderen Blickwinkel. Es konnte durchaus sein, dass der Täter noch im Wagen hockte. Oft zog es ihn ja an den Ausgangspunkt seiner Taten zurück, und das konnte sie sich hier auch vorstellen.
Niemand schoss auf sie. Niemand sprang ihr in den Weg. Das Licht des Scheinwerfers tanzte vor ihr her, und sie wollte schon aufatmen und sich eine Närrin schimpfen, als etwas anderes hinter ihrem Rücken passierte.
Sie hörte, wie ein Motor angelassen wurde. Es gab kein anderes Fahrzeug
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