1200 - Operation Ikarus
hatte ihre Flügel angelegt, und das Gefieder schimmerte in einem hellen Weiß, wobei auch ein paar graue Federn zu sehen waren.
»Die Dusche hat gut getan, Max.«
»Das glaube ich. Und jetzt habt ihr Hunger.«
»Klar.« Carlottas Augen strahlten.
Komisch, dachte die Ärztin. Sie benimmt sich wie jedes normale Kind. Sie hat es gelernt, mit ihrer Fremdartigkeit zu leben. Sie hat sie akzeptiert, und das ist auch gut.
Carlotta saß als Erste am Tisch. Sie schaute lächelnd auf das Brot, die frisch gekochten Eier, die Konfitüren und auch den dünn geschnittenen Schinken.
Nicht so Rosy Mills. Sie wirkte ernster, schaute etwas in sich gekehrt und nahm mit mechanisch langsamen Bewegungen ihren Platz am Küchentisch ein.
»He, Rosy, was ist los?«
Nach dieser Frage begann sie zu weinen. »Napoleon ist tot, Max. Ja, er ist tot.«
»Woher weißt du das?«
»Ich spüre es.«
Die Tierärztin senkte den Kopf. Sie hatte sich von den Kindern duzen lassen, um ein vertrauensvolleres Verhältnis aufzubauen. Sie wollte das Vertrauen nicht durch eine Lüge zerstören. Auch wenn es ihr schwer fiel. Sie nickte und legte eine Hand auf die Schulter des Kindes.
Rosy schniefte. »Dann ist es wahr?«
»Leider.«
Sie senkte den Kopf, und jetzt stürzten die Tränen aus ihren Augen hervor.
Sie drückte die Hände gegen das Gesicht. Maxine hörte, wie sie des Öfteren den Namen des Katers schluchzend aussprach.
Carlotta sagte nichts. Sie war traurig geworden. Auch sie wischte über ihre Augen, und das gefiel Maxine. Das Mitleid ist also vorhanden, trotz des anderen Aussehens. Die Wissenschaftler oder verbrecherischen Forscher hatten ihre Psyche nicht verändern können.
Max gab Rosy ein Taschentuch. Sie wischte ihre Tränen ab, zog noch mehrmals die Nase hoch und setzte auch zum Sprechen an. »Warum nur ist das passiert? Napoleon war so klein. Er hat keinem was getan. Warum denn?«
»Ich kann es dir nicht sagen. Nur soviel: Es gibt nicht nur gute Menschen auf der Welt.«
»Ja, das weiß ich auch. Haben mir meine Eltern auch gesagt. Aber Napoleon…«
»Es war der Killer, nicht?«, meldete sich Carlotta.
»Ja.«
»Babur ist der Tod.«
»Was sagst du da?«
»Ja.« Sie nickte ernst. »Das habe ich mal gehört. Der Professor sagte, dass er der Tod ist. So wie ihn musste man sich den Tod vorstellen.«
»Nein, das war nur ein Vergleich.«
»Für mich nicht.«
»Kann ich mir denken.« Maxine nagte für einen Moment an der Unterlippe. »Du hast bisher nur von dem Professor gesprochen, Kind. Hat er auch einen richtigen Namen?«
»Für uns war er immer nur der Professor.«
»Sonst nichts?«
»Nein.«
Damit gab sich die Tierärztin zufrieden. »So, auch wenn es euch nicht leicht fällt, ich denke schon, dass ihr etwas essen und auch trinken müsst. Man kann den Tag nicht hungrig verbringen.« Sie schenkte den beiden aus der Kanne den Kakao in die Tassen.
Carlotta fragte wie eine Erwachsene. »Und wie wird dieser Tag aussehen? Ich glaube bestimmt, dass Babur nach uns suchen wird. Oder meinst du nicht?«
Maxine hatte sich entschlossen, den beiden die Wahrheit nicht vorzuenthalten. »Ja, davon können wir ausgehen. Aber ich versichere euch, dass auch ich meine Maßnahmen getroffen habe. So ganz schutzlos werden wir nicht sein.«
»Ach.« Carlottas helle Augen glänzten. »Wirklich? Was hast du denn getan?«
»Ich habe Freunden Bescheid gegeben, denen ich voll und ganz vertrauen kann. Es wird nicht mehr lange dauern, dann sind sie hier. Auf sie können wir uns verlassen.«
»Wie heißen sie denn?«
»John Sinclair und Suko.«
»Kenne ich nicht.«
»Sie kommen aus London.«
»Von der Stadt habe ich mal gelesen«, sagte Carlotta.
»Wirklich?«
»Ja, ich habe viel gelesen, das durfte ich. Auch Fernsehen war nicht verboten.«
»Okay, aber jetzt solltet ihr essen. Ich lasse euch allein, weil ich noch etwas erledigen muss.«
»Willst du weg?«, fragte Rosy ängstlich.
»Nein, kein Sorge, ich bleibe im Haus. Ich muss nur telefonieren.«
Dagegen hatten die beiden nichts. Es war auch keine Ausrede gewesen. Die Tierärztin wollte tatsächlich ein Telefongespräch führen. Und sie wollte nicht mit leeren Händen dastehen, wenn ihre beiden Freunde aus London eintrafen. Es war ihr wichtig, ihnen einige Informationen geben zu können.
Wer konnte etwas wissen? Wem konnte sie Vertrauen schenken?
Ein Name war ihr eingefallen.
Rick Fester!
Man konnte zu ihm stehen, wie man wollte, aber er war jemand, der in der Stadt die Flöhe
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