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1204 - Der Häuter

1204 - Der Häuter

Titel: 1204 - Der Häuter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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vor, als wäre er mit irgendeinem Öl bestrichen worden. Das Licht fing sich darauf und ließ ihn noch glänzender erscheinen.
    Ansonsten sah die Gestalt aus wie ein Mensch. Sie besaß einen normalen Körper, der von einer dunklen Kleidung verdeckt wurde. Es gab bei ihm auch keine Knochenhände, und sicherlich waren auch die Füße normal.
    Ich konzentrierte mich auf das. Gesicht. Es gab darin die Öffnungen für die Augen und den Mund. In den Augenöffnungen bewegte sich etwas, und meiner Ansicht nach konnten das nur die normalen menschlichen Augen sein, in deren Pupillen sich Restlicht verfing.
    Dass sich in der Mundöffnung Lippen bewegten, fiel mir nicht auf. Auch der Griff der beidseitig geschliffenen Sense wirkte wie angeklebt zwischen den Händen.
    Es war wie damals oder fast, denn vor sechs Jahren hatte der Häuter anders ausgesehen. Da hätte man seinen Kopf mit einem Totenschädel vergleichen können. Nun saß er wie festgebacken auf seinem Hals und verdeckte den richtigen Kopf. Eine andere Erklärung kam für mich nicht infrage.
    Die Gestalt blieb stehen. Sie kümmerte sich nicht um die Waffe in meiner Hand und schaute mich nur an. Dunkle Augen. Hatte er damals auch dunkle Augen gehabt?
    Möglich. So genau erinnerte ich mich nicht mehr. Das Klirren der Kettenglieder war verstummt. Mir fiel auf, dass der Häuter nicht weit entfernt von der Kreissäge stand, deren Metall selbst harten Stein zerschnitt. Ein schwerer Holzbock gab der Säge den nötigen Halt.
    Bisher hatte keiner von uns ein Wort gesprochen. Wir hatten uns die Zeit genommen und uns aufeinander eingestellt. Das war vorbei, denn meine Stimme unterbrach die Stille.
    »So sieht man sich wieder, Häuter!«
    Hinter dem Totenschädel klang das Lachen verzerrt. »Was sagst du da, Sinclair? Ich soll der Häuter sein?«
    »Wer sonst?«
    »Nein, der Häuter sitzt ein. In der Klinik. Bis an sein Lebensende. Man wird ihn nicht freilassen und…«
    »Irrtum. Ich war da. Ich habe mir den Mann angesehen. Es ist nicht der Häuter.«
    »Ach - tatsächlich?«, höhnte er. »Wer soll es denn sein, Sinclair?«
    »Das werde ich noch herausfinden.«
    »Bestimmt nicht!«
    Da war plötzlich die andere Stimme. Ich kannte sie. Clive Navis hatte sich gemeldet. Es war ihm bisher gelungen, sich versteckt zu halten. Er hatte zwischen einem großen Stein und der Wand eingeklemmt gesessen und war nun aufgetaucht, bewaffnet mit einem Revolver, den er von der Seite her auf mich richtete.
    Ich gönnte ihm einen raschen Blick. Sein kaltes Lächeln sagte mir alles. Er war voll und ganz integriert. Er wusste genau Bescheid, was hier ablief, und sicherlich gehörte er zu denjenigen, die einen perfiden und zugleich raffinierten Plan mit durchgezogen hatten.
    »Ich wusste es, Mr. Navis. Sie überraschen mich nicht.«
    »Hatte ich mir gedacht, Sinclair. Und ich wusste, dass ich Sie nicht hatte überzeugen können. Sie und Ihren Kollegen, der an der falschen Stelle sucht. Er wird Sie nicht retten können, und er selbst wird ebenfalls sterben. Allerdings nach Ihnen.«
    »Sie vergessen nur, dass ich ebenfalls eine Waffe in der Hand halte. Sie können schießen, ich kann es auch. Ich glaube nicht, dass der Häuter kugelfest ist.«
    »Klar. Es kommt nur darauf an, wer schneller ist und als Erster die Nerven verliert.«
    Da hatte er Recht. Es war ein reines Nervenspiel, aber darin kannte ich mich aus. Ich beobachtete den Häuter auch weiterhin. Er löste eine Hand vom Griff der Sense, führte sie dann an seinem Körper in die Höhe und legte die Finger für einen Moment auf seinen Totenschädel. Dann griff er richtig zu, bewegte noch den Kopf, drückte den Schädel zusammen, der aus einer weichen Masse bestand und zerrte ihn einen Moment später von seinem Gesicht weg.
    Ich kannte ihn, auch wenn sechs Jahre dazwischen lagen.
    Es war Ben Navis!
    ***
    Ein leises Klatschen entstand, als der weiche Totenschädel am Boden landete. Den brauchte Navis nicht mehr. Auch so ähnelten sein Gesicht und der Kopf einem Totenschädel.
    Wie schon einmal. Sechs Jahre waren vergangen. In dieser Zeit war verdammt viel passiert. Nicht nur bei mir, sondern sicherlich auch bei ihm. Er hatte so lange gewartet, bis Hannibal Lecter wieder über die Leinwände geisterte, um nun erneut seine Zeichen setzen zu können.
    Die Starre auf seinem Gesicht verlor sich. Er begann zu grinsen. Sehr langsam und irgendwie genussvoll. Er zog die schmalen Lippen in die Breite, und in seine Augen trat ein gewisses Leuchten, das so

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