1216 - Drei Ritter der Tiefe
in den Weg stellte. Es handelte sich in der Mehrzahl um Nadrusker, jenes Volk, dem auch Emsers Lippeninterpret Rashk angehörte.
Auch ihr Anführer war ein Nadrusker. Er stand etwas weiter vorne, die langen Beine wie zum Sprung geknickt, die ebenso langen Arme wie schützend über dem tiefer liegenden Kopf mit den Facettenaugen und dem gebogenen Schnabel erhoben.
Erst jetzt merkte Chulch, daß vor seinen Leuten ein Heer von Stahlsöldnern Aufstellung genommen hatte.
„Dhazenyoek ist Missionär und sein eigener Lippeninterpret", raunte der Hegete Chulch zu.
„Halt!" rief der Nadrusker befehlend. „Keiner von euch darf in mein Gebiet vordringen." Er deutete mit einem seiner langen Arme hinter sie, daß es in seinen Gelenken laut knackte. „Ihr bringt das Graugebiet mit euch. Der Stahlherr hat mich vor euch gewarnt. Ihr seid vom Nicht-Leben infiziert. Kehrt um, oder die Söldner des Stahlherrn werden euch Verblasen!"
Emser bahnte sich einen Weg durch seine Leute und rief dabei: „Das ist Wahnsinn, Dhazenyoek. Das Verderben wird so und so über euch kommen, wenn ihr die Wahrheit nicht erkennt."
„Ich bin nicht der Stahlherr, ich führe nur seinen Willen aus!" rief der Nadrusker theatralisch. „Zurück, oder..."
Er ließ die Drohung unausgesprochen. Chulch merkte, wie in ihren Reihen eine Bewegung entstand, als sich jemand einen Weg bahnte. Es war der zwergenhafte Illor, der auf den freien Platz trat und unerschrocken auf die Stahlsöldner zuschritt.
„Verschwinde, Melukke!" herrschte Dhazenyoek ihn an, aber Illor schritt unbeeindruckt weiter. „Versuche nicht, hier eine Schau abzuziehen. Darauf fallen meine Leute nicht mehr herein."
Illor blieb stehen.
Und da passierte es.
Die Stahlsöldner bildeten aus ihren Insektenschädeln die Totenmaske des Stahlherrn. Die Maske war nicht so starr wie bei früheren Gelegenheiten, sondern schien von eigenartigem Leben erfüllt. Die Lippen bewegten sich, und dann vernahmen alle eine lautlose, telepathische Botschaft.
Starsen darf nicht grau werden. Das Statussystem existiert nicht mehr. Doch nun droht eine andere Gefahr. Grauleben dringt ein und versucht, Starsen zu erobern. Kämpft gegen diese Kräfte, die die Grauen Lords als letztes Aufgebot in die Schlacht werfen. Ich bin bei euch, und meine Stahlsöldner werden an eurer Seite kämpfen. Starsen darf nicht grau werden.
Diese eindrucksvolle Botschaft war in ganz Starsen zu hören, und sie zeigte allen Starsenern, daß der Stahlherr wieder erstarkt war.
Der Konflikt zwischen Dhazenyock und Emser war damit beigelegt Aber das Graugebiet, um den Tortransmitter weitete sich weiterhin unaufhaltsam aus.
6.
Zwischenspiel: „Ich frage mich, warum wir so viele Jahrtausende gewartet haben", sagte der Starsenvorsteher, „wo doch die Eroberung der Metropole so einfach vor sich geht."
„Es war die Lust am Spiel mit verbotenen Kräften", erwiderte der Starsenälteste. „Es war eine eigene Lust zu sehen, wie anderes Leben allmählich wieder zu seiner ursprünglichen Form zurückfindet. Es hat uns berauscht, das artfremde Leben zu beherrschen und Schicksal zu spielen. Es war die Berauschung an der Macht schlechthin."
Seit dem Zusammenbruch des von ihnen benutzten Statussystems vermieden sie es, Begriffe wie „Geriokratie" oder „Fraternität" zu gebrauchen. Sie gehörten der Vergangenheit an.
Es hätte nur noch dreier Tiefenjahre bedurft, um Starsen auf diesem Weg zu einem Graugebiet zu machen und dem Leben darin seine ursprünglichste Form zurückzugeben.
Aber schon beim Auftauchen des Stahlherrn, dieses Agenten der Kosmokraten, war ihr Plan ins Wanken geraten. Und durch die Ankunft der beiden anderen Hochlandbewohner war er in seinen Grundfesten erschüttert worden.
Zuletzt blieb ihnen nur noch das kleine Graugebiet als Zufluchtsort, das sie sich in dem Bunker nahe dem Tortransmitter erschaffen hatten.
Hierher hatten sie sich schon immer zurückgezogen, wenn das Experimentieren mit Vitalenergie sie zu sehr ausgezehrt hatte. Hier hatten sie sich zu Besprechungen eingefunden, ihre Pläne geschmiedet und den Kontakt zu anderen Grauen Lords aufrechterhalten.
Ihre Artgenossen außerhalb von Starsen hatten nie verstanden, warum sie diese Metropole nicht im Handstreich nehmen wollten, wie es mit anderen Teilen des Tiefenlands geschehen war. Die anderen waren eben Eroberer, sie beide aber, der Älteste und der Vorsteher, waren vor allem Forscher, besser noch Philosophen. Sie wollten die letzten Geheimnisse des
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