1224 - Das Herz der Hexe
Zimmertür erreicht und klopfte. Er wartete die Antwort nicht ab, öffnete und ließ die Tür offen, als er den mit einer Haube abgedeckten Teller vom Wagen nahm, ihn in das Zimmer brachte, freundlich lächelte, dabei grüßte und den Teller schließlich auf den Tisch stellte.
»Welchen Tee darf ich Ihnen bringen, Amy?«
Sie schaute auf Robins feuerrote Mähne. »Keinen, mein Junge. Ich werde Wasser trinken. Im Kühlschrank ist noch genug vorhanden.«
»Gut, wie Sie wollen.«
Schlag ihm den Schädel ein! Lass sein Gehirn spritzen! Mach ihn nieder…
Wieder waren die Gedanken da. Stromstößen gleich malträtierten sie die Frau, aber Amy Madson riss sich zusammen, blieb locker und lächelte Robin zu.
»Danke, mein Lieber.«
»Lassen Sie es sich gut schmecken, Amy.«
»Werde ich.«
»Und einen schönen Abend noch.«
Er wollte gehen und hatte sich schon umgedreht, aber Amys Ruf hielt ihn zurück. »He, Robin!«
Er blieb stehen und drehte sich. »Bitte, Amy?«
»Hast du eigentlich eine Freundin?«
Robin war so überrascht, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Er bekam sogar einen leicht roten Kopf, worüber sich Amy Madson amüsierte.
»Ja, die habe ich.«
»Und?« Sie forderte ihn durch eine Geste auf, mehr zu erzählen.
Robin grinste etwas verkniffen. »Nun ja, wir… wir… kennen uns noch nicht sehr lange. Aber sie ist echt cool.«
»Wie heißt sie denn?«
»Nathalie.«
»Toller Name.«
»Sie kommt aus dem Osten.«
»Dort gibt es sehr schöne Mädchen, das weiß ich.«
»Wenn Sie das sagen.«
»Wie alt ist sie denn?«
»Sie wird in der nächsten Woche neunzehn!«
»Toll. Gutes Alter. Da ist man noch frisch. Habt ihr es schon miteinander getrieben? So richtig heftig, meine ich?«
Robin wusste nicht, was er sagen sollte. Ihm blieb die Luft weg. Er ärgerte sich auch, dass er noch roter anlief. Mit einer derartigen Frage hatte er nicht gerechnet, und er schaute auf Amy Madson, die mit einem lauernden Ausdruck im Gesicht auf der Stelle stand und dabei mit der Zungenspitze über ihre Lippen leckte.
Er räusperte sich. Verfluchte die eigene Verlegenheit. »Ich… ich… muss jetzt gehen. Tut mir Leid. Einen… einen schönen Abend noch.«
»He, Robin, warte. Wir könnten es doch auch…«
Er war weg. Er hämmerte die Tür zu, und das scharfe Lachen der Patientin erreichte ihn noch auf dem Flur.
Amy ballte die Hände. Sie schüttelte sich. Sie lachte noch weiter, bis das Geräusch in ein Kichern überging und allmählich verklang. Dann schüttelte sie den Kopf, während sie vor sich hinflüsterte, wie verlegen die jungen Leute doch waren.
Sie fühlte sich mit ihren 40 Jahren zwar auch noch nicht alt, aber das war kein Vergleich zu Robins Alter. Da dachte man eben noch anders, doch auf der anderen Seite waren die jungen Körper toll. Sie wünschte es sich, es mit ihm zu treiben. Egal wo, und dann, wenn er erschöpft war, würde sie das tun, was ihr die Stimmen einflüsterten.
Amy ging dorthin, wo der abgedeckte Teller auf dem Tisch stand. Der halbrunde Metalldeckel ließ keinen Blick auf ihn zu, doch sie konnte das Essen riechen. Der scharfe Speckgeruch stieg in ihre Nase.
Amy hob den Deckel ab.
Eier, Speck und Nudeln. Das alles zusammengemischt zu einem regelrechten Eintopf, der geschmacklich sicherlich ausgezeichnet war. Sie hielt die Haube noch in der Hand, hielt den Blick gesenkt und schaute auf die Nudeln.
Sie bewegten sich plötzlich vor ihren Augen und wechselten ihre Farbe. Das Helle verschwand, dafür wurden die Nudeln grau und unansehnlich und begannen sich plötzlich zu bewegen, sodass Amy den Eindruck hatte, nicht mehr Nudeln auf dem Teller liegen zu sehen, sondern eine Armee von widerlichen Würmern.
Es machte ihr nichts. Sie lachte. Mit dem linken Zeigefinger fuhr sie in das Essen und sorgte dafür, dass sich die Würmer über den Finger drehten. Amy Madson genoss es. Sie glaubte fest daran, von einer anderen Person geführt zu werden. Sie war nicht allein. Jemand lauerte im Hintergrund. Er hatte seine Botschaft geschickt, und er war jemand, der zu den Mächtigsten der Welt gehörte.
Sie zog den Finger wieder aus dem Gewürm hervor, das sich zurück in die normalen Nudeln verwandelt hatte.
»Scheiß Fraß!«, schimpfte sie. Dann hob sie den Teller an und kippte das Zeug nebenan in die Toilette. Sie wollte nicht essen. Für sie waren andere Dinge wichtiger.
Sie dachte an Mayri, die Schwester. Sie musste kommen. Das spürte Amy. Und wenn sie kam, dann…
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