1225 - Die Reliquie
wie es gärt«, sagte ich nur. »Freund Tallier scheint nicht den besten Eindruck hinterlassen zu haben. Ich nehme an, das ist noch ein weiterer Grund, sich um ihn zu kümmern.«
»Du sagst es.«
»Hinter der Kirche«, murmelte ich. »Im dritten Haus. Na, das sollte doch zu finden sein…«
Ich war gespannt auf Tessa Long, und mein Gefühl sagte mir, dass sie mehr wusste…
***
Das Haus zu finden, war kein Problem. Es war so klein wie die übrigen Häuser. Durch das recht steile Dach auf den niedrigen Mauern wirkte es mehr wie eine Hütte, die von einem Garten umgeben war, in dem Sommerblumen blühten und die allgemein etwas düstere Atmosphäre auflockerten.
Vom Haus aus war auch wieder der kleine See zu sehen, der auf mich wie ein dunkel eingefärbter Spiegel wirkte, denn dort bewegte sich noch immer nichts.
Das Grundstück war teilweise von einem dunkel gestrichenen Zaun umgeben, dessen Latten an einigen Stellen schon recht schief standen, als hätte jemand ein paar Mal dagegen getreten.
Durch eine Holztür war der Zaun unterbrochen. Sie stand offen, damit die Person, die gebückt im Garten arbeitete und neben sich eine mit Unkraut und Abfall gefüllte Karre stehen hatte, die Tür nicht erst zu öffnen brauchte, wenn sie ihr Grundstück verlassen wollte.
Wir gingen davon aus, dass es Tessa Long war, die uns nicht gesehen hatte und uns ihr Hinterteil entgegenstreckte, über das sich der Stoff einer stramm sitzenden Jeans spannte. Dazu trug sie ein weites Hemd und hatte um die blonden Haare ein Tuch gebunden, damit ihr die Flut nicht ins Gesicht fiel.
Sie war so in ihre Arbeit vertief, dass sie uns nicht hatte ankommen sehen und merkte auch nichts, als wir den Garten betraten. Sie rupfte und zupfte das Unkraut, als bekäme sie dafür einen Rekordlohn bezahlt. Beim Näherkommen wurde uns auch klar, warum sie uns nicht gehört hatte. In den Ohren steckten die Stöpsel eines Walkman. Erst als ich einen kleinen Bogen schlug, sie mit Namen ansprach und ich in ihr Gesichtsfeld geriet, da schreckte sie hoch.
Ihr Gesicht verwandelte sich in eine Maske. Jemand, den ein Stromstoß erwischt hatte, der hätte kaum anders ausgesehen.
Auch mit einem Lächeln erreichte ich bei ihr nicht viel.
Ich deutete auf ihre Ohren. Sie zog die Stöpsel hervor und klemmte sie neben dem Walkman fest, der an ihrem Gürtel angebracht worden war. Inzwischen war auch Suko in ihr Gesichtsfeld getreten, und das Misstrauen bei ihr nahm zu.
Tessa Long, falls sie es war, zählte noch zu den jungen Frauen. Ihr Alter lag zwischen 30 und 35. Sie hatte ein etwas herbes Gesicht mit sommersprossiger Haut, die vermutlich keine Sonne vertragen konnte. Die Farbe ihres Haars war echt.
Ihre Augen blickten klar, aber auch misstrauisch. Sie trug Arbeitshandschuhe, die sie jetzt auszog und mit einer etwas verlegenen Geste ihre Handflächen am Stoff des Hemds abwischte, wo kein Schmutz zurückblieb, sondern nur eine feuchte Schweißspur.
»Sie… Sie… wollen zu mir?«, fragte sie unsicher.
»Ja, wenn Sie Tessa Long sind«, bestätigte ich.
»Das bin ich.«
»Wunderbar, dann…«
Sie ließ mich nicht ausreden. »Was wollen Sie denn von mir? Hier aus der Gegend sind Sie nicht.«
»Nein, wir kommen aus London.«
»Aha.«
»Damit Sie beruhigt sind, Mrs. Long, wir sind keine Touristen, sondern Polizisten. Scotland Yard, um genauer zu sein.«
Tessa Long hatte alles gehört. Sie war trotzdem nicht zufrieden, denn sie schaute sich einige Male um, ob sie von irgendwelchen Nachbarn beobachtet wurde. Das war nicht der Fall.
Zumindest nicht offen. Auch als ich ihr unsere Namen preisgab, änderte sich ihr Verhalten nicht. Sie fühlte sich von uns umzingelt.
»Ich wüsste nicht, was ich mit Scotland Yard zu tun haben sollte«, sagte sie.
»Nicht Sie«, sagte Suko, der hin und wieder so wunderbar weich und beruhigend sprechen konnte. »Es geht um eine andere Person, die bei Ihnen gewohnt hat. Um Eric Tallier.«
Da hatten wir wieder ins Schwarze getroffen, wie schon bei dem Karrenzieher. Auch Tessa Long schrak zusammen. Dieser Mensch schien hier in Knockbain keinen guten Eindruck hinterlassen zu haben. »Ja und…?«
»Er hat also hier gewohnt?«
»Nicht lange.«
»Wir möchten uns trotzdem mit Ihnen über ihn unterhalten«, bat Suko. »Aber es ist wohl besser, wenn wir zu Ihnen ins Haus gehen. Da haben wir mehr Ruhe. Ich denke auch, dass wir dort vor gewissen Blicken Neugieriger geschützt sind.«
Tessa Long war zunächst unsicher. Dann nickte sie
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