1225 - Die Reliquie
wurde immer unruhiger. Er drohte mir durch seine Gestik, und plötzlich war er nicht mehr zu halten. Mit einem Satz sprang er von seinem Stuhl hoch. Dabei stieß er gegen den Tisch, der mir entgegenkippte, aber von mir abgefangen werden konnte. Der Mann griff mich nicht an, obwohl ich fest damit gerechnet hatte. Er sprang nur zurück und prallte sehr schnell mit dem Rücken gegen die Wand, wo er stehen blieb.
Jetzt kam er mir wirklich vor wie ein Tier in der Falle. Er bewegte seinen Kopf. Der Schweiß löste sich dabei in Tropfen von seiner Haut wie ein kleiner Regen. In seinen Augen leuchtete eine irre Wut. Etwas hatte von ihm Besitz ergriffen.
Es musste etwas Fremdes gewesen sein, das bisher tief in ihm gelauert hatte.
Ich wollte ihn nicht provozieren und blieb deshalb sitzen.
»Sollen wir nicht vernünftig miteinander reden?«
»Verschwinden Sie. Kümmern Sie sich um alles andere, Sinclair. Nur nicht um mich. Sie werden uns nicht stoppen können. Nein, Sinclair, das ist unmöglich. Wir sind zu gut, verstehen Sie? Wir sind einfach zu gut. Und deshalb weg mit Ihnen.«
Da er nichts mehr sagte, übernahm ich die Initiative. Ich sprach ihn nicht an, sondern tat etwas anderes. Tallier hatte momentan genug mit sich selbst zu tun. Er schnaufte, er schüttelte den Kopf und presste seinen Rücken gegen die Wand.
Als mein Blick zufällig zur Decke fiel, sah ich in zwei Ecken die kleinen Kameras, die diesen Verhörraum überwachten.
Wenn es hart auf hart kam, konnte jemand eingreifen, doch ich traute mir zu, mit diesem Typen allein fertig zu werden.
Ich wollte ihn auf die Probe stellen und herausfinden, wie tief er in diesen Fall verstrickt war. Für mich war er ein Mensch und kein direkter Dämon, aber er stand auf der falschen Seite, das stand für mich fest.
Da er mich nicht beobachtete, fingerte ich in aller Ruhe nach meinem Kreuz. Ich zog die Kette über den Kopf, aber auf dem Metall war keine Wärme zu spüren.
Ein Pluspunkt für Tallier!
Ich stand langsam auf. Diese Bewegung fiel ihm auf. Er stoppte seine hektischen Bewegungen und blieb an die Wand gedrückt stehen. Zu Eis war er nicht geworden, aber er wirkte so, und der Vergleich war deshalb nicht so weit hergeholt.
Sein Blick war auf das Kreuz gerichtet, das ich in der rechten Hand hielt. Ich beobachtete ihn und wollte jede seiner Reaktionen genau registrieren. Er sprach nicht mehr. Er hielt auch den Atem an, aber sein Gesicht erbleichte noch stärker, und der Schweiß auf seiner Haut verdichtete sich.
Ich ging um den Tisch herum, weil ich ihm das Kreuz aus der Nähe zeigen wollte.
Er sah es.
Er hätte sicherlich gern seine Arme vor das Gesicht gerissen, um dem Anblick zu entgehen. Da ihm das nicht möglich war, drehte er den Kopf zur Seite.
»Haben Sie Probleme, Tallier?«
»Ich hasse es!«
»Die meisten Menschen lieben es«, erwiderte ich. »Nur diejenigen, die sich den Mächten der Finsternis verschrieben haben, verfolgen es mit ihrem Hass. Das scheint bei Ihnen so zu sein, Tallier. Wem haben Sie sich verschrieben?«
Auf einmal blieb er ruhig. Aber er sah mir dabei ins Gesicht.
Seine Lippen bewegten sich. Noch sprach er nicht. Für mich sah es aus, als suchte er nach den Worten.
Dann brach es aus ihm hervor.
»Baphomet!«
Es war ein Schrei, der in meinen Ohren gellte. Tallier schien um einige Zentimeter zu wachsen, und tatsächlich hatte er sich auf die Zehenspitzen gestellt.
»Baphomet!«, brüllte er mich wieder an. Er schloss den Mund sofort danach, die Haut an seinen Wangen zog sich zusammen, dabei formte der Mund ein Oval, und einen Augenblick später spie er mir eine dunkle Flüssigkeit entgegen.
Es war Blut!
***
Nur durch eine blitzschnelle Reaktion entging ich der Ladung. Zwar nicht ganz, denn ich wurde noch an der linken Gesichtsseite erwischt, aber ein Großteil verfehlte mich und erwischte stattdessen das Kreuz, das ich wie zum Schutz in die Höhe gerissen hatte.
Sofort hörte ich das Zischen, denn hier waren zwei verschiedene Welten aufeinander getroffen. Das Blut löste sich in einer Wolke auf, und wieder brüllte er mir den Namen entgegen.
»Baphomet!«
Die nächste Ladung fegte aus seinem Mund.
Diesmal duckte ich mich rechtzeitig. Ich hörte sein Schreien, das in meinen Ohren tobte, und dann hielt ihn nichts mehr an der Wand. Obwohl er gefesselt war, stürmte er auf mich zu.
Den Kopf hatte er gesenkt. Er wollte mich rammen und mich dann so wuchtig wie möglich zu Boden stoßen.
Die Distanz zwischen uns war ziemlich
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