1238 - Justines Blutfest
Antwort.
Amy schluckte, wischte über ihre Augen und ging dorthin, wo die Lampe stand. Die Schnur war lang genug, um sie einen Meter weit tragen zu können. Mehr brauchte Amy auch nicht, um besser sehen zu können.
Sie leuchtete jetzt direkt in das Gesicht ihrer Mutter hinein.
Da wusste Amy, dass sie gewonnen hatte. Rose würde sich nie mehr aus eigener Kraft vom Bett erheben, um sich auf die Suche nach dem Blut der Menschen zu machen. Sie lag da, sie war vernichtet, sie war erlöst, und auch aus den Augen war der schreckliche Ausdruck verschwunden.
Die Haut war eingefallen und um den Mund herum dunkel und fleckig. Der Knoblauch wurde nicht mehr benötigt. Zuerst nahm Amy die Staude vom Körper ihrer Mutter weg. Sie landete achtlos am Boden. Dann zog sie die zweite aus dem Mund und wunderte sich darüber, wie tief sie in die Kehle hineingestopft worden war.
Die Knollen ratschten an den Zähnen vorbei, und als Amy die Staude ebenfalls zu Boden warf und sie dort liegen ließ, das sah sie, was im Mund ihrer Mutter geschehen war.
Es gab die spitzen Zähne nicht mehr. Der Knoblauch hatte sie zerstört. Sie waren zerkrümelt und hatten Lücken hinterlassen.
Um die Lippen herum war die Haut angegriffen worden. Sie schimmerte dunkel, und die Lippen der jetzt normal toten Frau waren ausgefranst, als hätte jemand mit einer Schere hineingeschnitten.
Amy spürte, wie ihre Knie zu zittern begannen. Jetzt erst erwischte sie der Schock. Sie konnte nicht mehr länger stehen und musste sich einfach setzen.
Sie sank auf die Bettkante und überließ sich ihren Gefühlen.
Sie fing an zu zittern, denn jetzt wurde ihr erst richtig bewusst, welchen Menschen sie verloren hatte.
Rose und sie hatten sich immer gut verstanden. Sie waren in der letzten Zeit wie Freundinnen gewesen, und die Mutter hatte immer ein Ohr für Amys Probleme gehabt.
Das würde es nie mehr geben - nie mehr…
Amy merkte, dass sie nicht mehr konnte. Ihr Oberkörper bewegte sich wie von selbst. Er fiel der Mutter entgegen, und dann blieb sie über dem toten Körper liegen.
Ich werde nie mehr mit ihr sprechen können!, schoss es ihr durch den Kopf. Es gibt kein Zusammentreffen mehr. Nichts wird mehr so sein wie früher und ich trage daran die Schuld.
Ich habe sie getötet. Ich habe sie…
Die Gedanken brachen ab, denn ab jetzt gab es nur noch die Tränen…
***
Das Gefäß stand noch immer zwischen den Beinen des alten Mannes, und Finley sagte kein einziges Wort mehr.
Auch Suko und ich schwiegen, denn keiner von uns hatte mit dieser Überraschung gerechnet. Bis auf die schweren Atemzüge unseres Besuchers war es totenstill.
Die Blutegel sahen wirklich widerlich aus. Sie waren glitschig, dick und aufgedunsen. Fast wie Würmer, aber trotzdem nicht mit ihnen zu vergleichen, denn sie waren mit Blut gefüllt, das sahen wir genau. Sie hatten sich ihre Beute also schon geholt.
Ich war derjenige von uns, der als Erster den Kopf hob und Orson Finley anschaute.
Der alte Mann lächelte nicht. Sein Gesicht war sehr ernst. Es hatte sich den Gegebenheiten angepasst. Ich sah, dass er sich wieder einen Whisky eingeschenkt hatte. Jetzt nahm er das Glas, trank einen kleinen Schluck, räusperte sich und fragte:
»Du weißt, was sich in diesem Gefäß befindet, John?«
»Ich denke schon. Es sind Blutegel, nicht wahr?«
»Stimmt. Und sie sind nicht leer. Sie sind mit Blut gefüllt. Sie haben es sich bereits geholt.«
»Von wem?«
Finley antwortete noch nicht. Nach einer Weile, als auch Suko ihn anblickte, sagte er: »Genau auf diese Frage habe ich gewartet, und ich werde euch eine Antwort geben. Sie sind gefüllt. Vielleicht hat man sie auch gefüllt. Ich weiß es nicht genau. Aber in ihnen ist nicht das normale Blut eines Menschen konserviert worden, sondern das einer bestimmten Person.« Er trank wieder. »Man wollte, dass diese Person ein Erbe hinterließ, obwohl man nicht sicher war, dass sie auch vernichtet war. Es ist das Blut des Highland-Vampirs. Oder ein Teil davon. Versteckt auf dieser Insel, vergraben in der Ruine und zum Überleben verdammt. Er hat seine Botschaft all die Zeiten über erhalten.« Finley hob die Schultern. »Ich weiß nicht, ob es die einzigen Egel sind, die sich mit seinem Blut gefüllt haben, aber ich weiß sehr gut, dass es kein anderes Blut ist, mit dem die ekligen Egel gefüllt sind. Sie haben überlebt. Sehr lange, viele, viele Jahre. Daran könnt ihr ermessen, wie mächtig der Vampir ist oder war. Er war eine Größe hier in den
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