124 - In der Gewalt der Daa'muren
Sorgen um euch.« Sie betrachtete die beiden Soldaten genau – ihre Haut schien ihr ein wenig bleich zu sein, die Augen wirkten etwas trüb und die Lippen trocken; ähnlich wie bei Miouu, die sie jeden Tag um sich hatte und nicht extra für eine Untersuchung vorladen musste. »Ihr wirkt in letzter Zeit angeschlagen.« Auch das Haupthaar der Männer schien ihr ähnlich glanzlos und spröde zu sein wie Miouus sonst so seidiges, glänzendes Haar.
»Ich? Angeschlagen?« Sergeant Deenis war empört. »Bin ich denn ein Greis, meine Königin?« Und der Oberst zeigte sich berührt davon, dass sein Gesundheitszustand der Königin eine Audienz wert war. Doch er könne sie beruhigen, beteuerte er, er sei kerngesund.
Jenny erkundigte sich nach dem Appetit der Männer, nach ihrem Schlaf, nach ihrer Verdauung und nach etwaigen Schmerzen. Alles sei ganz normal, und was ihre täglichen Pflichten beträfe, so könne die Königin sich rückhaltlos auf sie verlassen.
Miouu schwieg die ganze Zeit, was nicht weiter auffällig war, denn das tat sie immer, wenn ihre Königin Untertanen empfing. Die verstohlenen Blicke, mit denen Miouu hin und wieder die Aufmerksamkeit ihres Geliebten suchte, die allerdings fielen Jenny schmerzlich auf.
Arnau dagegen schien sie überhaupt nicht zu bemerken. Er fixierte in erster Linie den Oberst und seinen Sergeanten.
Merkwürdigerweise suchten die beiden Soldaten eher mit ihm den Blickkontakt als mit ihrer Königin. Ob das nun mit übertriebener Scheu vor ihr oder mit Respekt vor dem neuen Königlichen Berater zusammenhing, wusste Jenny nicht zu sagen. Es fiel ihr einfach auf.
Sie ließ nicht locker, befragte die beiden Männer solange, bis der Oberst schließlich zugab, seit etwa sieben oder acht Wochen hin und wieder unter Kopfschmerzen zu leiden, und Deenis einräumte, dass ihm morgens das Aufstehen mitunter schwer fiel. Arnau wollte daraufhin wissen, wie viel Bier die Männer täglich tranken. Beide senkten erst die Köpfe, sprachen dann von dem einen oder anderen Becher und gaben schließlich zu verstehen, dass ihnen derart private Fragen unangenehm seien. Jenny entließ sie.
Sie drehte sich um und suchte den Blick ihrer Leibwächterin. Miouu senkte den Kopf. Warum sagte sie nichts? Jenny war sicher, dass sie unter den gleichen Symptomen litt wie die beiden Männer; wie viele andere in der Siedlung. Warum sprach sie nicht darüber?
»Jennymom!« Ann und der zottelige Canada waren die Treppe herunter geschlichen, und kaum hatte Arnau den Türflügel hinter den beiden Soldaten geschlossen, nahm sie die letzten Stufen mit zwei Sprüngen und rannte zu ihrer Mutter.
»Sind die krank? Was für eine Krankheit haben sie denn?«
»Ich weiß es nicht, Anniemouse.« Jenny nahm die Kleine hoch. »Vielleicht sind sie krank, ja, ich glaube schon.« Sie spürte, dass mehr als nur kindliche Neugier hinter den Fragen ihrer Tochter steckte. Man konnte der Kleinen nichts vormachen; mit einer Art siebtem Sinn erfasste sie Dinge, die in der Luft lagen, noch bevor sie in Erscheinung traten.
»Keine Angst, Prinzessin.« Arnau kam von der Tür zurück.
»Alles in Ordnung. Die Männer trinken nur ein bisschen viel Gerstensaft.« Und an Jenny gewandt: »Wenn Ihr mich fragt, meine Königin, würde ich empfehlen, das Bier zu rationieren.«
Jenny ließ die Kleiner herunter. »Ich sehe Männer wie Schatten durch die Gassen schleichen, von denen ich weiß, dass sie keine Trunkenbolde sind.«
»Das stimmt«, knurrte Bulldogg. »Es ist eine rätselhafte Krankheit, irgendwas Ansteckendes wahrscheinlich.« Er streckte den Arm nach dem Mädchen aus. »Komm Anniemouse, Bullo schaukelt ein bisschen mit dir.«
»Und eine Geschichte, Bullo«, krähte die Kleine. »Aber eine ganz schlimme…«
Jenny wartete, bis der massige Oberst und ihre Tochter die ersten Stufen der Treppe genommen hatten. Dann wandte sie sich mit gesenkter Stimme an den schönen Mann aus dem Norden. »Ich höre Stimmen in Berlin, die fragen sich öffentlich, ob nicht Sie diese Krankheit in Berlin eingeschleppt haben, Arnau von Gödenboorg.«
»Ich?« Der blonde Lockenkopf schüttelte den Kopf. »Aber ich bitte Euch, meine Königin – erscheine ich Euch denn ebenfalls krank?«
»Nein…« Jenny dachte an die Bettszene, deren Zeugin sie Tage zuvor mehr oder weniger freiwillig geworden war. »Nein, das ganz bestimmt nicht…« Seine Augen waren von einer fremdartigen Schönheit. Jenny wandte sich ab, um sie nicht sehen zu müssen. »Es könnte ja sein,
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