1242 - Geheimbund Omega
lange sie lebte.
Schon oft war sie in gefährlichen Situationen gewesen, aus denen es fast unmöglich gewesen war, sich herauszuwinden, aber hier besaß sie nicht mal die Chance auf Hilfe, obwohl John Sinclair möglicherweise misstrauisch geworden war, weil sie sich nicht gemeldet hatte.
Neben der Woodward blieb sie stehen. Auch sie schaute jetzt die Stufen hoch. Es war ihr alles so vertraut, doch nun kam ihr der Weg vor wie die letzte Wegstecke eines Delinquenten.
»Sehen Sie da oben das Quergeländer?«
»Bin ja nicht blind. Was stört Sie daran?«
»Nichts, Mrs. Goldwyn, gar nichts. Aber es ist wichtig, glauben Sie mir. Drehen Sie sich um!«
Sarah wusste, dass es keinen Sinn hatte, wenn sie sich störrisch zeigte. Also drehte sie sich und konnte den beiden Typen in die flachen Gesichter schauen. Sie standen nebeneinander wie Figuren, die sich nicht anders verhalten konnten. Trotzdem hatte sich etwas verändert. Einer von ihnen hatte aus der Tasche seiner grauen Jacke etwas hervorgeholt. Die Kehle wurde Sarah eng, als sie es sah. Der Gegenstand sah aus wie eine bräunlichbeige Schlange, die sich von unten nach oben gestellt hatte. Nur war es keine Schlange, sondern ein Strick, und der endete in einer Henkersschlinge…
***
Sarah Goldwyn war alles andere als begriffsstutzig, doch in dieser Lage brauchte sie schon ihre Zeit, um zu erfassen, was ihr bevorstand, obwohl die Schlinge vor ihrem Gesicht pendelte. Es war einfach zu abstrakt und unvorstellbar.
Wieder schoss das Blut in ihren Kopf. Sie erlebte den Schwindel, der sie leicht taumeln ließ, und sie hörte sich leise stöhnen, obwohl sie es nicht wollte.
Danach traf es sie schockartig.
Hängen! Man wollte sie hängen. Und es würde so aussehen, als hätte sie sich selbst das Leben genommen. Der perfekte Mord sollte als Selbstmord getarnt werden.
Sarah schaute noch immer auf den verdammten Strick. Sie sah ihn, aber sie wollte ihn nicht wahrhaben. Etwas sträubte sich, obwohl ihr Hilde Woodward alles erklärt hatte.
Auch jetzt übernahm sie wieder das Wort.
»Hängen ist kein schöner Tod«, flüsterte sie. »Andere haben es leichter gehabt. Aber wir mussten uns schnell etwas einfallen lassen und für derartige Fälle haben wir immer etwas in petto. Sie werden sterben. Sie müssen sterben. Sie haben ihre Nase bereits zu tief in unsere Angelegenheiten hineingesteckt. Es kann für Sie keinen anderen Ausweg geben. Wir können Sie nicht laufen lassen, Sarah.«
Die Horror-Oma nickte. Sie hatte sich inzwischen von ihren Gefühlen befreien können und flüsterte nun: »Glauben Sie denn, dass Sie damit durchkommen?«
»Bestimmt.«
Sarah riss sich zusammen. Nur nicht in Panik verfallen. Den anderen keinen Anlass zum Triumph geben. Immer ruhig bleiben, auch wenn es schwer fällt.
»Man wird mich finden«, erklärte sie mit rauer Stimme.
»Man wird mich finden und man wird seine Schlüsse ziehen, darauf können Sie sich verlassen. Man wird nicht glauben, dass ich mich selbst aufgehängt habe, obwohl ich eine schon ältere Frau bin oder ein Alter erlebe, in dem so etwas möglich ist. Aber man kennt mich. Man weiß, dass ich keinen Grund habe, mich selbst umzubringen. Ich bin weder körperlich krank noch depressiv und genau das wird die Polizei misstrauisch machen, darauf können Sie sich verlassen, Mrs. Woodward.«
»Das weiß ich, Sarah. Damit rechne ich auch.«
Die Woodward hatte sich vor Sarah Goldwyn gestellt, um sie anschauen zu können. Ihr Gesicht zeigte einen boshaften Ausdruck, und sie schüttelte jetzt leicht den Kopf. »Es wird Ihnen nur nichts nützen, verstehen Sie? Wer soll uns schon etwas anhängen? Können Sie mir das sagen? Wie soll man auf unsere Spur kommen? Glauben Sie denn, dass ich verdächtigt werde? Glauben Sie das wirklich, Sarah?«
»Es ist alles möglich.«
»Nein. Das sind Ausreden von Ihnen. Kann ich verstehen. Sie wollten sich Ihre Lage schönreden. Aber schauen Sie sich meine Freunde an, das sind Profis im Geschäft. Sie sind perfekt. Sie verkörpern die Organisation Omega. Wir helfen, Mrs. Goldwyn. Wir helfen den Menschen perfekt. Wir sorgen dafür, dass sie nicht mehr leiden müssen. Viele haben wir bereits unterstützt. Würden sie noch leben, dann würden sie uns auch ihre Dankbarkeit zeigen, aber sie können sich nicht aus dem Jenseits melden, das ist nun mal so. Deshalb machen wir weiter, immer wieder unserer Bestimmung folgend.«
Sarah wich ihrem Blick nicht aus. Sie wollte keine Angst zeigen. Die beiden Männer
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