1244 - Traumwelt Terra
Er war andererseits an einer plausiblen Erklärung vorläufig gar nicht interessiert. Was sich da vor seinen Sinnen abspielte, war so unglaublich, so erschreckend, daß es sein Bewußtsein ganz und gar in Bann schlug.
Krohn Meysenharts Stimme dröhnte aus der Weite des Universums.
„Unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich. Die Schlacht ist entbrannt - eine Schlacht, die auf der einen Seite von achtzehn Millionen unterschiedlich bewaffneter Raumschiffe, auf der anderen Seite von einer winzig kleinen Ertruser-Flotte geschlagen wird, hinter der allerdings die technischen und militärischen Mittel einer ganzen hochzivilisierten Welt stehen. Die Ertruser schlagen mit voller Wucht zu. Sie sind ohne Zweifel die besseren Kämpfer. Aber wie lange können sie einer derart erdrückenden Übermacht standhalten? Wenn sie es fertig bringen, sich zu wehren, bis die Verstärkungen der GAVÖK eintreffen, dann - aber nur dann - gebe ich Ertrus noch eine Chance. Ansonsten ..."
Plötzlich spürte Fredo Gopher das Unechte an dieser Sendung. Es war Krohn Meysenhart, den er sah und hörte, aber es war nicht mehr derselbe, dessen Reportage er zuvor empfangen hatte. Der Bericht war die logische Fortsetzung der makabren Unkerei, mit der Krohn Meysenhart durch den Hyperäther getönt hatte, als das mnaskitische und das ertrusische Flaggschiff einander näher kamen. Aber seine blutrünstigen Träume waren nicht in Erfüllung gegangen. Die Begegnung hatte sich friedlich abgespielt, Fredo Gopher war Augenzeuge gewesen, und er war weitaus eher geneigt, die ursprüngliche Version des Berichts für wahr zu halten als das bombastische Kriegsgeschrei, das er jetzt zu hören bekam.
Irgend etwas war ganz und gar falsch im terranischen Multikomnetz. Fredo zweifelte keine Sekunde daran, daß die Sat-Technos die Hand dabei im Spiel hatten, wenn er auch immer noch nicht begriff, wie sie den Effekt erzeugten, den er soeben erlebte. Er fragte sich, was sie damit erreichen wollen. Aber gerade hatte er begonnen, sich mit diesem Gedanken zu beschäftigen, da wurde er abgelenkt.
Sein Blickfeld weitete sich. Er sah jetzt, daß er die Sendung auf dem Umweg über eine kommerzielle Videofläche empfing. Sie war quadratisch und verriet ihre geringe Qualität durch ein zitterndes Bild, dessen Farben überzeichnet waren. Die Videofläche schwebte in einem Zimmer, und je mehr Fredo Gopher von dessen Einrichtungsgegenständen zu sehen bekam, desto eigenartiger wurde ihm zumute. Waren ihm zuvor schon die Teppichwand, das Büchergestell und das Gemälde auf eigenartige Weise bekannt vorgekommen, so hatte er jetzt vollends den Eindruck, daß er sich in diesem Raum schon mehrmals aufgehalten haben müsse.
Sitzmöbel kamen in Sicht, und die Gestalten von Menschen, die in regloser Starre Krohn Meysenharts dröhnender, pathetischer Stimme lauschten, deren Augen sich an dem von den Blitzen nuklearer Detonationen übersäten Bild festgesogen hatten. Fredo Gopher sah und hatte auf einmal das Gefühl, es sei eine Verschwörung gegen ihn im Gang. Kein Wunder, daß ihm das Zimmer vertraut vorkam. Der gemütliche Dicke im größten und bequemsten der fünf Sessel war Bontan Burian, sein guter Freund und widerspenstiger Kollege. Neben ihm saß Irya, seine Frau, und über den Rest des Raumes verteilt hatten seine Kinder sich eingerichtet: Rena, zwölf, Isach, fünfzehn und Vidosh, knapp achtzehn.
Fredos Verwirrung erreichte ihren Höhepunkt. Er wußte nicht mehr, was mit ihm vorging.
Der Verstand, ursprünglich damit zufrieden, Eindrücke zu verarbeiten, begann, nach einer Erklärung zu schreien.
Wer Fredo Gopher zum erstenmal sah, dem wäre es schwergefallen, die Fähigkeit systematischen Denkens für eine seiner hervorragenden Begabungen zu halten. Der Eindruck täuschte. Intellektuelle Verwirrung war kein Zustand, den Fredo länger als ein paar Augenblicke ertrug. Dann fand er Mittel und Wege, sich Klarheit zu verschaffen.
Ungeachtet seiner äußeren Erscheinung, die auf den konventionellen Beobachter disziplinlos wirkte, besaß Fredo Gopher eine straffe mentale Disziplin. Noch während er seinen Freund Bontan Burian mitsamt dem Rest der Familie starr wie Statuen vor der Bildfläche sitzen und Krohn Meysenharts simulierten Weltuntergangsbericht wie im Zustand der Trance verfolgen sah, entwickelte er seinen Plan. Er war simpel, und das ließ sich leicht verstehen. Niemand entwickelt komplizierte Pläne zur Klärung einer Situation, deren Zusammenhänge er nicht
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