1245 - Satansblut
verfolgen. Inzw ischen war auch die Zeit fortgeschritten. Tief im Tal war die Dunkelheit bereits Sieger geblieben, und so hatte es den Eindruck, als würde der alte Jeep in einen finsteren Schlund rutschen, um sich nie mehr daraus zu erheben.
»Auf geht's, Bruder!« Sandro grinste hart. »Das packen wir schon. Keine Sorge.«
»Du willst noch in die Dunkelheit runter?«
Sandro blieb stehen. »Wieso nicht? Oder willst du in der Station übernachten?«
»Daran habe ich fast gedacht.«
»Quatsch. Das kommt nicht in Frage. Wir werden uns auf den Weg machen. Vor Mitternacht können wir das erste Dorf erreicht haben.«
»Willst du da auch einen neuen Wagen besorgen?«
»Nein, nur schlafen.«
»Das ist gut.«
»Wir werden am Tag weiter nach Norden gehen. Oder fahren. Wir leihen uns ein Auto. Nur keines knacken. Keine Spuren hinterlassen. Hast du verstanden?«
»Bin im Bilde.«
»Vamos!«
Jorge sagte nichts mehr. Er wusste ja, dass sein Bruder im Prinzip Recht hatte, aber er ärgerte sich so, dass sie das Pech gehabt hatten, und da hatte er dem Ärger einfach freie Bahn lassen müssen. Er war eben so.
Wieder kämpften sie sich den Weg hoch, und sie waren nicht schneller als die Dunkelheit, denn sie holte sie unterwegs ein.
Es gab kein Licht, der Himmel über ihnen war dunkel und der Mond war nicht zu sehen. Sterne erst recht nicht. Alles schien sich gegen sie verschworen zu haben, aber sie machten weiter, und Sandro hatte seine Taschenlampe hervorgeho lt. Sie gab nicht viel Licht, aber die Kraft reichte aus, um zumindest die gröbsten Unebenheiten auf dem Boden erkennen zu können.
Jorge kam noch immer nicht mit der neuen Lage zurecht.
Deshalb entwischte ihm auch das eine oder andere Mal ein Fluch.
Wieder spürten sie den scharfen Abendwind, der gegen ihr Gesicht blies. Es war nicht zu kalt, aber sie hatten beide das Gefühl, als würden kleine Glasscherben in ihre Haut ritzen.
Weitergehen. Nur keine Müdigkeit vortäuschen. Immer an das Ziel denken. An den Erfolg, an das Geld, das mit Schmuggelware zu verdienen war. Besonders mit dem Gras. Das zu rauchen, war wieder modern geworden und hatte die Preise in die Höhe getrieben.
Beide kamen sich vor wie im Winter, wenn sie mit ihren Lasteseln über die alten Schmugglerpfade gezogen waren. Da waren sie noch jünger gewesen und hatten das mehr als ein wildes Abenteuer aufgefasst. Jetzt war es für sie Stress und Anstrengung.
Sie packten es. Zwar hatte der Weg diesmal länger gedauert, und ihre Knie waren weich und zittrig geworden, doch die Station erschien ihnen wie ein Rettungsanker, und sie schlurften mit letzter Kraft unter das schützende Dach.
»Jaaa…!«, brüllte Jorge, ballte die Hände zu Fäusten und riss die Arme hoch. »Wir haben es gepackt, Bruder. Wir sind endlich durch, verstehst du?«
»Alles klar.«
Es stand noch eine alte Bank in der Ecke. Sie sah zwar brüchig aus, hielt jedoch dem Gewicht eines Mannes stand, das hatten die Brüder schon ausprobiert.
Sandro ging auf die Bank zu, riss sich den prall gefüllten Rucksack von der Schulter und ließ sich auf das Holzgestell fallen. »Ah, das tut verdammt gut.«
»Alt geworden, wie?«
Sandro lachte abgehackt. »Nicht alt geworden, sondern älter, mein Lieber.«
»Ja, das sieht man.«
»Hör auf.«
Jorge winkte lässig ab. »Ruh dich mal aus, Bruder. Ich werde das Zeug verstauen.«
»In Ordnung.«
Sie hatten schon einen Platz für die erste Ladung gefunden.
Es war ein kleiner Raum, der früher als Büro des Stationsvorstehers gedient hatte. Es gab sogar noch die Tür, die sich öffnen und schließen ließ. Da hatten sie die Schmuggelware gestapelt. Zwar gab es noch ein offenes Fenster, durch das der Wind pfiff und auch jemand eindringen konnte, aber eine bessere Möglichkeit zur Aufbewahrung der Waren gab es nicht.
Auch hier war es dunkel geworden. Jorge hatte zwar die Lampe mitgenommen und ließ den Lichtkegel auch über den Boden tanzen, aber mit einer Deckenleuchte war das nicht zu vergleichen. Hinzu kam, dass an vielen Stellen die Fliesen aufgerissen waren und sich so Löcher aufgetan hatten.
Zwei Mal stolperte Jorge, konnte sich aber fangen und fluchte wieder. Fünf Minuten später hatte sich seine Laune gebessert.
Da war es ihm gelungen, die Ware zu verstauen.
Einigermaßen zufrieden kehrte er zu seinem Bruder zurück.
Sandro wartete noch immer auf der Bank sitzend auf ihn. In der Dunkelheit sah er aus wie eine Schattengestalt.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte
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