1245 - Satansblut
Ritzen hinein. Er rappelte an halb zerfetzten Fensterläden oder Rollos. Er suchte sich die Lücken im Dach und sorgte innerhalb der Station für scharfen Durchzug.
Auch dort hatte die Natur im Laufe der Jahre zugegriffen. Der Boden war gekachelt, und einige dieser kleinen Vierecke hatten dem Druck von unten nicht standhalten können. Sie waren aus dem Verbund herausgedrückt worden, und durch diese Lücken hatten sich Gräser geschoben und einen kleinen Teppich aus Unkraut gebildet.
Hierher verirrte sich in den kalten Monaten niemand. Selbst die meisten Pilger des Jacobswegs ließen die Station links liegen. Sie sah ihnen einfach zu verfallen aus. Und was so aussah, gab auch kaum Schutz.
Und doch gab es Menschen, die die alte Station nicht verge ssen hatten. In der Regel waren es Schmuggler, die über die Berge zogen, zumeist von Süden nach Norden. In Spanien wurde die Ware aufgeladen und auf verschlungenen Pfaden nach Frankreich gebracht.
Selbst im Zeitalter des Internets und der Satelittenaufklärung konnte darauf nicht verzichtet werden, denn in dieser wilden Gegend waren Kontrollen verdammt schwierig durchzuführen.
Vor allem Rauschgift, aber auch Zigaretten wurden über die Berge geschafft, und da nahmen die Schmuggler auch das Risiko des Winters in Kauf.
Sandro und Jorge gehörten dazu. Sie waren Brüder und arbeiteten auf eigene Rechnung und nicht für die großen Bosse in Madrid, Barcelona oder Toulon. Sie gehörten zu denen, die schon seit Jahren die einsamen Pfade gingen und sich durch den Schmuggel ihren Lebensunterhalt verdienten. Früher war es leichter gewesen, denn da stammten auch die Polizisten aus der Region. Man kannte sich, und so ging es den Brüdern recht gut. Wenn es ihnen gut ging, dann lebten auch die Familien in einem relativen Wohlstand.
In den letzten Jahren hatte sich das schleichend verändert. Die Regierungen beider Länder hatten Druck gemacht, und so waren die Zöllner und Polizisten ausgewechselt worden, profitierten auch von den Erfahrungen ihrer Vorgänger, und für die Schmuggler war es verdammt schwer geworden, ihre Waren von einem Land ins andere zu schaffen.
Zwei Mal waren die Brüder in Fallen gelaufen. Die erste Strafe war nicht so empfindlich gewesen, die zweite schon, da hatten sie hinter Gitter gemusst und waren für zwölf Monate weg vom Fenster gewesen.
An einen Jobwechsel oder gar Aufgabe dachten sie nicht im Traum. Nein, sie machten weiter und waren nur vorsichtiger geworden. Außerdem hatten sie andere Wege erkundet, und sie änderten immer wieder die Route.
Der Winter hatte ihnen schon einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber bevor alles zuschneite und sie mit ihrem Geländewagen nicht mehr weiterkamen und sich nur auf die Mulis verlassen konnten, wollten sie noch eine große Fuhre nach Frankreich bringen. Sie hätten es auch geschafft, wenn nicht der alte Jeep kurzerhand seinen Geist aufgegeben hätte.
Der Motor streikte. Er hatte gekratzt, er hatte geröchelt, er hatte gequalmt, er hatte einfach alles getan, was er nicht hätte tun sollen, und dann war mit der Herrlichkeit Schluss gewesen.
Kein Weiterkommen mehr. Nicht durch Fluchen und gute Worte war der Wagen zu bewegen, auch nur einen Meter weiterzufahren. Sie mussten aussteigen und den Jeep stehen lassen.
Und das mitten auf dem Berg. Das heißt, sie hatten die Kuppe noch nicht überwunden. Die lag dort, wo sich die Umrisse des alten Bahnhofs abmalten. Auch für die Bahn früher war diese Station der höchste Haltepunkt gewesen. Von dort aus war es dann nur bergab in die anderen Täler gegangen, und jetzt waren auch sie am Ende der Strecke angekommen.
Beide Brüder hatten den Wagen verlassen. Er war bis zur Decke voll mit Zigaretten gepackt worden. In einigen Packungen hatten sie leichtes Rauschgift versteckt. Marihuana, nicht mehr. Gras, das seine Abnehmer immer fand. Besonders im Süden Frankreichs. Doch von einer guten Einnahme konnten sie vorerst nur träumen.
»Scheiße, Scheiße!«, fluchte Jorge und trat wütend gegen den rechten Vorderreifen. »Ich habe dir immer gesagt, dass wir anders handeln müssen, mehr wie Geschäftsleute. Wir hätten uns längst einen neuen gebrauchten Wagen zulegen müssen.«
Sandro war der Ältere von beiden und auch der Gelassenere.
»Was regst du dich auf? Wir haben darüber gesprochen und sind zu der Meinung gekommen, dass wir kein Geld haben. Wir wollten die letzte Fuhre noch abwarten.«
»Das ist die letzte Fuhre.«
»Weiß ich.«
»Toll. Und was
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