1245 - Satansblut
günstige Gelegenheit, um auch mich killen zu können.
Ihm wurde bewusst, dass er noch immer die Taschenlampe brennen hatte. Sie lag jetzt auf seinem Schoß und strahlte nach links, auch über die Beine des Toten hinweg.
Jorge sah, dass der Lichtkegel einen Kreis an die Wand malte, aber dort und auch in dem hellen Arm bewegte sich nichts. Mit zittrigen Fingern fasste er die Lampe an und hob sie hoch.
Es fiel ihm nicht leicht, sie zu schwenken, denn zugleich fürchtete er sich davor, den Killer zu erwischen, sodass dieser auf ihn aufmerksam wurde.
Mit offenem Mund und den Atem für einen Moment anhaltend, saß er auf der alten Bank und bewegte seine rechte Hand.
Viel Licht gab die Lampe nicht ab, aber es reichte aus, um die Finsternis in der Station zu vertreiben.
Die Wände klebten vor Dreck. Auch hier hatten sich Pflanzen in die Höhe gedrückt oder waren durch irgendwelche Spalten gekrochen, um Luft zu bekommen.
Der Durchgang zum offenen Teil des Bahnhofs war auch noch vorhanden. Die alten Gitter standen noch, auch wenn sie inzwischen Rost angesetzt hatten.
Dort bewegte sich auch nichts. Es stand auch kein Fremder nahe der Gitter. Alles war so anders geworden und doch gleich geblieben. Etwas hatte sich zwischen den Wänden eingenistet.
Es war kein Killer vorhanden. Wenigstens nicht auf den ersten Blick hin.
Jorge wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte oder nicht.
Er hätte gern gewusst, wer seinem Bruder so grausam das Leben genommen hatte, aber es war niemand zu sehen. Er und der Tote waren allein.
Jorge zog die Lampe wieder zu sich heran und schaute zu, wie der Lichtkegel über den Boden wanderte. Sein Herzschlag hatte sich noch immer nicht beruhigt. Er fühlte sich eingekesselt. Von unsichtbaren Feinden umlauert, und er wollte plötzlich nicht mehr auf seinem Platz bleiben und dem toten Bruder Halt geben.
Er musste aufstehen. Er musste sich bewegen. Und er wollte dabei darüber nachdenken, wie es weitergehen sollte. Er musste von nun an egoistisch sein. Seinem Bruder konnte niemand mehr helfen, der hatte es hinter sich, aber es gab noch ihn, und Jorge stellte für den unheimlichen und gnadenlosen Killer durchaus eine Gefahr dar.
Er versuchte, den toten Sandro so hinzusetzen, dass er nicht umkippte. Es war schwer genug, und er schaffte es auch nicht, denn immer wieder wollte sich die Leiche selbständig machen.
So blieb ihm nichts anderes übrig, als den Toten auf die Bank zu legen, denn auf den schmutzigen Boden wollte er die Leiche nicht legen.
Dass sie abgeholt und ins Tal gebracht werden musste, war ihm klar. Doch diese Dinge lagen noch in einer für ihn fernen Zukunft. Zunächst galt die Sorge ihm selbst. Wenn möglich, dann wollte er den Mörder noch hier oben stellen.
Jorge stand auf. Erst bei dieser Bewegung merkte er, wie steif er geworden war. Dazu hatte auch die Kälte ihren Teil beigetragen. Er streckte sich, er drückte die Beine durch, leuchtete wieder nach vorn - und zuckte zusammen, als ihn ein Tropfen mitten auf dem Kopf erwischte.
Das Dach war leck. Es regnete an verschiedenen Stellen durch, es sammelte sich auch überall Wasser, doch das alles war kein Grund misstrauisch zu sein.
Aber an diesem Tag hatte es nun mal nicht geregnet. Und zuvor waren ebenfalls keine Tropfen nach unten gefallen.
Warum jetzt?
Er blickte hoch und strahlte auch mit der Lampe gegen die Decke. So ganz schaffte er es nicht mehr, weil er in einem Reflex die Augen schloss, als wieder ein Tropfen fiel.
Der klatschte mitten in sein Gesicht!
Jorge schüttelte sich. Er wollte den Tropfen wegwischen.
Dann aber merkte er, wie er an seinem Gesicht nach unten rann und dabei den Weg über die rechte Wange nahm. Nur lief er anders als normales Wasser. Viel Zäher, fast schon fettiger.
Jorge hob seine linke Hand. Mit dem Finger fing er den Tropfen ab, bevor dieser seinen Mund erreichte.
Dann schaute er nach.
Der Schein der Lampe strahlte den Zeigefinger an, und genau in diesem Augenblick sah Jorge, was er da aufgefangen hatte.
Das war kein Wasser, das war auch kein Öl, nein, es war Blut, und das war von oben aus der Decke getropft…
***
Der Mann mit den Blutaugen stach zu, und ich trat zu!
Es kam hier wirklich auf den Bruchteil einer Sekunde an, wenn ich überleben wollte.
Das Messer besaß eine verflucht lange Klinge, die sich tief in meinen Körper gebohrt hätte, aber in diesem Fall war ich mal wieder um den berühmten Sekundenbruchteil schneller. Da machte sich mein langes Training
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