1245 - Satansblut
er.
Sandro gab keine Antwort.
»He, Bruderherz, schläfst du?«
Wieder hörte er nichts.
Jorge war es leid. Er fasste den rechten Arm des Bruders an, um ihn durchzurütteln. Dazu kam es nicht, denn plötzlich kippte ihm Sandro entgegen. Er wäre auch an Jorge vorbei gefallen, wenn dieser nicht sofort zugegriffen und ihn gehalten hätte.
Er starrte nach vorn, und er sah, wie Sandros Kopf vor- und zurückpendelte. Aber das war nicht alles. Er bekam auch mit, dass sich von seinem Hals Tropfen lösten und gegen den Boden klatschten.
»Nein, nicht…«
Jorge war plötzlich durcheinander. Aber er schaffte es noch, seine Hand gegen Sandros Kehle zu legen. An der Haut spürte er die schmierige Feuchtigkeit, zog die Hand wieder zurück, drückte den leblosen Körper neben sich gegen die Rückenle hne, starrte dann auf seine dunkle, mit Blut befleckte Handfläche und wusste plötzlich genau, was mit Sandro geschehen war.
Jemand hatte ihm die Kehle durchgeschnitten!
***
»Neeeiiiinnnn!«
Es war schon ein beinahe unmenschlicher Schrei, der aus dem Mund des Schmugglers drang. Und dieser Schrei echote durch die kleine Station, als würde er von Tausenden kleiner Teufel wiederholt, die allesamt ihre Mäuler weit aufgerissen hatten.
Es war so unbeschreiblich grausam, dass Sandro keine Worte für diesen Vorgang fand. Er war auch nicht mehr in der Lage, einen zweiten Schrei abzugeben. Den schien eine unsichtbare Kraft zurück in seine Kehle gestopft zu haben.
Jorge saß wie eingefroren auf der Bank und war nicht mehr fähig, über etwas nachzudenken. Er sorgte nur dafür, dass sein Bruder nicht nach vorn kippte und auf den Boden schlug, als hätte man ihn einfach weggeworfen.
Jorge saß fassungslos da. Er war geschockt.
Sandro ist tot!
Zuerst kam ihm der Gedanke wie ein Flüsterton vor, der durch sein Gehirn wehte. Aber dieses Flüstern steigerte sich.
Es wurde lauter, es verwandelte sich in eine Stimme, und diese Stimme endete schließlich in einem Schrei, der nicht akustisch zu hören war, sondern durch seinen Kopf gellte.
SANDRO IST TOT!
Immer wieder vernahm er diesen Schrei in seinem Kopf.
Jorge merkte auch, dass es mit ihm bergab ging. Ein plötzlicher Schüttelfrost überkam ihn und sorgte dafür, dass seine Zähne aufeinander schlugen. Er konnte nichts mehr unternehmen. Er konnte seinen Bruder nicht wieder zurück ins Leben rufen.
Sandro war tot. Einfach so. Jemand hatte ihm die Kehle durchgeschnitten. Sein Blut war auf den Boden getropft, als hätte es eine letzte Spur hinterlassen wollen.
Jorges Panik ließ nur allmählich nach. Er beschäftigte sich auch mit den Realitäten, und sie sahen für ihn folgendermaßen aus: Sandro hatte bestimmt kein Messer gezogen und sich selbst die Kehle durchgeschnitten. Das musste jemand anders getan haben. Einer, der hier gelauert hatte, der ein Killer war, und der noch immer hier lauerte, wobei er den Schutz der Dunkelheit ausnutzte und sich perfekt versteckt hielt.
Warum? Wer tat so etwas? Konkurrenten? Leute, denen sie ein Dorn im Auge waren?
Nein, das konnte sich Jorge beim besten Willen nicht vorstellen. Soweit ging der Kampf nicht, denn sie waren in diesem Spiel um Macht und Geld nur kleine Lichter. Bei ihnen ging es nicht um Millionen, sie wollten nur den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien sichern und sie weg von der Armut bringen.
Um was also ging es? Warum hatte Sandro sterben müssen?
Wer hauste und versteckte sich hier in dieser einsamen Station?
Sein Bruder hatte niemandem etwas getan, um auf eine derartige Art und Weise getötet zu werden.
Jorge wünschte sich, alles nur geträumt zu haben, aber das war leider nicht der Fall. Neben ihm saß jemand, der seinen starren und kalten Körper gegen ihn gedrückt hatte, als wollte er um ein wenig Wärme bitten, die ihn Jorge nicht geben konnte.
Er dachte jetzt wieder weiter. Und seine Gedanken drehten sich dabei um den Killer. Er selbst hatte ihn nicht gesehen. Die Bestie war lautlos gekommen und ebenso lautlos wieder verschwunden.
Aber war die Person wirklich weg? Hatte sie die Flucht ergriffen, nachdem ihre Aufgabe erledigt war?
Er konnte es sich nicht vorstellen. Es hatte ja nicht nur Sandro gegeben, es gab auch ihn, und wenn er einen Schritt weiter dachte, dann konnte er nur zu einem Resultat gelangen.
Ich bin ein Zeuge, dachte Jorge. Verdammt, ich bin ein Zeuge, auch wenn ich den Killer nicht gesehen habe. Aber er hat mich gesehen. Er lauert sicherlich in der Dunkelheit und wartet auf eine
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