1246 - Die Macht des Träumers
mit ähnlichen Problemen zu kämpfen; jedes Raumschiff, das über Afrika in einen geostationären Orbit einschwenkte, mußte mit einer Woche Wartezeit rechnen.
Und das ist erst der Anfang, dachte Kleimann. Nicht einmal der Hafen von Terrania mit seinen supermodernen Einrichtungen ist dem Ansturm gewachsen. Stündlich melden die Kontrollsatelliten jenseits der Plutobahn die Ankunft weiterer Schiffe aus allen Teilen der Milchstraße. Es ist, als ob sich unsere außerirdischen Freunde zu Millionen entschlossen haben, ihre Heimatwelten zu verlassen und Terra zu besuchen. Und was ist, wenn die Völkerscharen der Endlosen Armada dem Beispiel unserer galaktischen Verbündeten folgen?
Kleimanns Finger huschten über die Eingabetastatur des Terminals; natürlich hätte er dem Computer seine Befehle auch mündlich eingeben können, aber er verzichtete aus gutem Grund darauf. Die aufsässige Buddha-Uhr schätzte es nicht, wenn er sich mit anderen Maschinen unterhielt. Nur dem Cybermed erlaubte sie hin und wieder, sich zu Wort zu melden.
Im Lichthof dröhnte erneut ein Donnerschlag. Dann ein mißtönendes Scheppern, gefolgt von einem kreischenden Gelächter wie aus den Schreckensvisionen der Traummotten.
Die kybernetische Uhr schwebte an Kleimanns Kopf vorbei und landete auf dem Terminalmonitor. „Ich gehe jede Wette ein, daß ein derartiger Lärm gegen die Hausordnung verstößt", sagte sie. „Was meinst du als Kosmojurist und Xenopsychologe dazu? Haben deine Untermieter überhaupt das Recht, am helllichten Tag Bomben zu legen?"
„Es sind nicht meine Untermieter, sondern meine Informanten", korrigierte Kleimann.
„Außerdem bin ich auf intergalaktisches Recht spezialisiert. Ich bin Berater für interstellare Immigrationsfragen. Die Kosmische Hanse zahlt mir 60.000 Galax im Jahr für die Lösung von Problemen wie Braucht ein Muurt-Wurm für einen Besuch auf Terra ein Visum oder genügt eine Importgenehmigung des Lebensmittelüberwachungsamts? Von so obskuren Dingen wie Mietgesetzen verstehe ich nichts."
„Was ist ein Muurt-Wurm?" fragte die Uhr.
„Ein was?" Verwirrt sah Kleimann auf.
„Du hast etwas von einem Muurt-Wurm gefaselt", krähte die Uhr. „Ich möchte wissen, was das ist."
„Keine Ahnung", gestand Kleimann. „Ich weiß nicht einmal, wie ich darauf gekommen bin."
Die Uhr kommentierte diese Bemerkung mit einem heulenden Sirenenton.
„Ruhe!" brüllte Kleinmann.
Aus der Naßzelle drang gedämpft die Stimme des Cybermeds. „Achte auf deinen Blutdruck, Hajo. Er könnte wirklich besser sein. Was hältst du von einer eiskalten Dusche und einem speziell auf deine Bedürfnisse zugeschnittenen Fitneß-Programm?"
„Nichts", sagte Kleinmann. Mit einer gemurmelten Verwünschung gab er dem Computer neue Anweisungen: Gesamtzahl der auf Terra gemeldeten GAVÖK-Bürger nichtterranischer Herkunft (Stand 3. 2. 429 NGZ - 4016 A. D.); Volkszugehörigkeit der Immigranten; Kopfstärke der Volksgruppen in absoluten Zahlen und im prozentualen Vergleich; Datum der Einreise (vor oder nach der Ankunft der Endlosen Armada); Zahl der Immigranten ohne GAVÖK-Bürgerstatus.
Noch während er den Befehl eingab, flimmerten die ersten Daten über den Bildschirm.
Das Ergebnis war wie erwartet.
Mehr als 12 Millionen GAVÖK-Bürger waren im Gefolge der Endlosen Armada nach Terra gekommen und gemäß den GAVÖK-Statuten als Immigranten mit vollen Bürgerrechten anerkannt worden. Zu den Immigranten zählten Vertreter der verschiedenen Blues-Nationen, Arkoniden, Akonen, Aras, Antis, Springer, Überschwere, Topsider, Unither, Zaliter, Ferronen und von zwanzig kleineren Mitgliedsvölkern der GAVÖK. Hinzu kamen rund 10 Millionen Immigranten von den ehemaligen terranischen Kolonien wie Ertrus, Epsal, Siga oder Plophos, die auf der Erde traditionell größte Freizügigkeit genossen sowie knapp 100.000 Posbis und Matten-Willys mit Sonderstatus, da die Hundertsonnenwelt nicht Vollmitglied der GAVÖK war, und etwa 5000 Vertreter anderer Rassen - Haluter oder extragalaktische Besucher aus Andromeda und den Magellanschen Wolken; Tefroder, Gurrads und Perlians vor allem, die aus politischen Erwägungen wie GAVÖK-Bürger behandelt wurden und deshalb zu den Immigranten mit unbegrenzter Aufenthaltsgenehmigung gerechnet werden mußten.
Kleimann schnitt eine Grimasse. Es war kaum wahrscheinlich, daß die LFT ihre Aufenthaltsgenehmigungen widerrief. Was bedeuteten schon ein paar tausend Extraterrestrier mehr oder weniger, wenn die terranischen
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