1251 - Die Heilige und die Hure
John.«
»Deshalb können wir hier nicht zu lange bleiben. Ich denke, dass wir noch einen Spielraum haben, denn auch die andere Seite muss sich erst neu finden und darüber nachdenken, wie sie vorgehen will. Das kann unsere Chance sein.«
Sie blieb sehr ruhig und stellte eine Frage: »Wie sieht das im Einzelnen aus, John?«
»Ganz einfach. Du wirst das Nötigste zusammenpacken, und ich werde mit meinen Templer-Freunden in Alet-les-Bains sprechen. Zuvor allerdings muss ich in London anrufen.«
»Tu das. Aber nimm bitte mein Telefon.«
»Danke.«
Ich musste mich nur kurz drehen, um es zu erreichen. Mein Anruf galt Suko, den ich zu Hause erwischte. Bevor er irgendwelche Fragen stellen konnte, gab ich ihm einen Bericht. Er erfuhr, was passiert war und wo ich mich jetzt befand.
»Soll ich kommen, John?«
»Nein, bitte nicht. Bleib du zu Hause. Ich werde auch bald von hier verschwunden sein und nehme an, dass uns der Weg nach Frankreich führt. Da sehen wir dann weiter.«
»In den Süden zu Godwin und den Templern?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Es könnte so sein, muss aber nicht, denn Maria Magdalena hat in Frankreich schon ihre Spuren hinterlassen. Und nicht nur im Süden.«
»Da hast du dir aber was vorgenommen.«
»Suko, ich weiß nicht, wie es läuft. Die Dinge liegen in der Schwebe. Jedenfalls muss ich der Lösung des Rätsels endlich näher kommen. Wir müssen die Gebeine finden, bevor es der anderen Seite gelingt.«
»Und das schaffst du?«
»Ich hoffe es.«
»Schalte die Templer ein.«
»Wenn ich mehr weiß, ja.«
»Und was ist mit deiner neuen Bekannten? Glaubst du ihr? Glaubst du, dass Maria Magdalena in ihr wieder geboren ist?«
»Ich gehe mal davon aus. Welchen Grund hätte sie haben sollen, mir so etwas zu erzählen? Darauf kommt man nicht einfach so. Sie muss irgendwelche Erlebnisse gehabt haben, die sie dazu gebracht haben.«
»Aber du hast sie nicht danach gefragt?«
»Nein, das werde ich noch tun. Alles der Reihe nach. Außerdem kann ihr Wissen verschüttet sein. Man muss es hervorholen. Möglicherweise durch bestimmte Methoden.« Ich redete bewusst nicht so direkt, denn Julie sollte es nicht mitbekommen.
Suko hatte mich schon begriffen. »Denkst du an eine Hypnose?«
»Zum Beispiel.«
»Okay. Ich bleibe in Bereitschaft. Sollte sich etwas ergeben, ruf mich an. Ach ja, noch etwas. Was ist mit Absalom? Hast du wieder etwas von ihm gehört?«
»Nein, das habe ich nicht. Er hat mich auf die Spur gebracht und sich zurückgezogen, das ist alles. Ich weiß auch nicht, wie ich ihn einschätzen soll und ob er überhaupt noch eine Rolle spielt. Für mich ist seine Existenz nach wie vor ein Rätsel.«
»Dann gebt auf euch Acht.«
»Machen wir, und grüße die anderen.«
Als ich auflegte, sah ich, dass Julie bereits eine Reisetasche geholt hatte. Sie stand offen zu ihren Füßen, aber die Frau selbst schaute über sie hinweg und mich an.
»Es ist alles okay.«
»Wer war das, mit dem du gesprochen hast?«
»Ein Freund und Kollege in London.«
»Aha. Und was ist mit den Templern?«
»Keine Sorge, die rufe ich noch an.«
»Gut, dann packe ich einige Sachen zusammen.« Sie räusperte sich. »Weißt du, welches Gefühl ich habe, John?«
»Nein, aber du wirst es mir sagen.«
»Ich denke, dass wir Gent verlassen werden. Ja, davon bin ich überzeugt. Wir werden hier nicht bleiben. Das ist alles so verzweigt. Die Spur der Maria Magdalena wird sich irgendwann verlieren und…«
»Nein, Julie, das glaube ich einfach nicht. Sie ist in dir wieder geboren, das hast du mir selbst gesagt und…«
»Ja und nein! Ich habe das Gefühl. Ich habe es immer bekommen, wenn ich vor dem Bild stand. Es ist sehr stark gewesen, John, aber ich kenne keinen Weg zu ihr. Ich weiß nicht, was ich unternehmen soll, um endlich an sie heranzukommen. Das ist doch das Problem, das wir lösen müssen. Alles andere können wir vergessen.«
»Ich werde mit den Templern sprechen.«
»Ja, okay. Dann packe ich mal einige Sachen zusammen.«
»Tu das.«
Bevor ich mich zu einem weiteren Telefongespräch entschloss, stand ich auf und trat wieder an das Fenster heran. Ich öffnete es erneut und schaute nach draußen.
Das Bild unter mir hatte sich nicht groß verändert. Nach wie vor lag die schmale Gracht ruhig und mit leicht gekräuselter Oberfläche vor mir. Es sah alles so harmlos und normal aus, und ich hätte mich auch beruhigt zurückziehen können, doch das widerstrebte mir.
Da meldete sich wieder mein
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