1255 - Böser schöner Engel
sie Tamara schon abgelehnt. Ich kenne den Grund nicht und möchte sie auch jetzt nicht danach fragen…«
»Was auch besser ist. Lass Tamara nur machen. Denk einfach nur daran, welche Taten sie schon vollbracht hat. Sie ist im ganzen Land bekannt. Tausende würden sich glücklich schätzen, wenn sie an deiner und an der Stelle deines Kindes wären. Andere müssen sterben, auch Kinder. Aber Jamina wird geholfen.«
Das stimmte. Das hatte sich die Ärztin nicht aus den Fingern gesaugt. Nur wusste Svetlana in diesen Augenblicken nicht, was sie noch alles glauben sollte. Sie war einfach zu sehr durcheinander, denn noch immer geisterten die Aussagen der Tochter durch ihren Kopf.
»Nimm es als Hinweis des Schicksals hin!«, flüsterte die Ärztin scharf. »Du darfst dich nicht dagegenstellen, wenn jemand versucht, dein eigen Fleisch und Blut zu retten. Was bist du nur für eine Frau, Svetlana?«
»Ich kann nichts dagegen tun. Es ist alles so plötzlich über mich gekommen. Warum begreifst du das nicht?«
»Was gibt es da denn zu begreifen? Sieh den Tatsachen einfach ins Auge. Sie sind klar genug, Deine Tochter liegt todkrank im Bett, und jetzt ist jemand gekommen, um sie zu heilen und ihr das Leben zurückzugeben. Mehr kann ich dir nicht sagen.«
»Ich weiß es ja!«, gab Svetlana flüsternd zurück. »Es ist nur alles so fremd und wächst mir über den Kopf. Damit habe ich meine Probleme.«
»Warte einfach ab.«
Sie hätte auch nichts anderes tun können, das stand mittlerweile fest. Svetlana hatte alles ihr Mögliche versucht, um ihrer Tochter zu helfen. Nichts war gelungen, denn sie hatte das Siechtum des Kindes nicht aufhalten können.
Die Ärztin blieb rechts neben Svetlana stehen. Auch sie wollte sich nichts von dem vor ihnen liegenden Prozess der Heilung entgehen lassen.
Tamara bewegte sich. Und was sie tat, überraschte beide Frauen. Sie stand noch mit dem Rücken zu ihnen und fing nun damit an, ihren Mantel aufzuknöpfen. Das passierte mit langsamen Bewegungen.
So wie sie zog sich eigentlich niemand den Mantel aus, es sei denn, er spielte in einem Theaterstück auf der Bühne mit.
Jede Bewegung war genau einstudiert. Das konnte man zumindest meinen. Die Knöpfe hatte sie schnell offen. Dann bewegte sie zuerst ihre rechte Schulter, sodass der Mantel zu dieser Seite hin wegrutschen konnte.
Eine nackte Schulter kam zum Vorschein!
Die Ärztin sagte nichts. Sie staunte stumm, aber Svetlana konnte nicht an sich halten. »Das… das… ist doch kein Striptease«, flüsterte sie, »unmöglich.«
So etwas Ähnliches war es schon, denn Tamara ließ mit einer lasziven Bewegung den Mantel auch zur anderen Seite hin weggleiten, und so rutschte er dann an ihrem Körper nach unten.
Ja, sie war nackt. Oder fast nackt. Zumindest der Oberkörper war nicht bedeckt, dafür aber der untere Teil des Körpers, denn von den Hüften herab und bis zu den Waden hing ein brauner Rock, dessen Material an Leder erinnerte.
Und noch etwas schaute aus dem nackten Rücken oberhalb der schmalen Taille hervor. Es waren zwei dunkle Gegenstände, die zusammengeklappt waren und eine gewisse Ähnlichkeit mit zwei dunkelbraunen Zollstöcken nicht verleugnen konnten.
Um den Hals hatte Tamara ein Lederband geschlungen. Was daran hing, war nicht zu sehen, weil es sich auf der Vorderseite ihres Körpers befand.
Svetlana dachte an die TV-Sendungen, in denen die Heilerin aufgetreten war. Nie hatte sie sich so gezeigt. Sie war immer züchtig gewesen, und deshalb konnte Svetlana nicht verstehen, dass sie unter dem Mantel nichts getragen hatte.
Das Kleidungsstück selbst trat sie mit einer lockeren Bewegung zur Seite. Danach hob sie die Arme an und fuhr damit durch ihr Haar. Sie wühlte es auf, und beide Zuschauerinnen hatten den Eindruck, Funken durch die Locken flirren zu sehen.
Damit war die Bewegung aber noch nicht beendet, denn Tamara drehte ihre Hände auf den Rücken.
Hände und Arme bog sie so nach hinten, wie es einem normalen Menschen nicht möglich ist. Da drehte sich etwas in den Schultergelenken, und die Arme sahen plötzlich aus, als hätten sie die Knochen und Sehnen verloren, die dann allein durch Gummi ersetzt worden waren.
Mit ihren langen Fingern strich sie über die beiden Gebilde auf dem Rücken hinweg, die für einen Moment auseinander klafften und sich ausbreiteten. Sie wurden zu Flügeln oder Schwingen, als wollte sie damit beweisen, dass sie trotz allem ein Engel war.
Der Vorgang hielt nur wenige Sekunden an, dann
Weitere Kostenlose Bücher