1255 - Böser schöner Engel
bin auch nicht immer so alt gewesen wie heute. Im Laufe der Jahre sind mir viele Menschen begegnet. Interessante und weniger interessante. Viele Namen habe ich vergessen, aber einige konnte ich schon in meinem Gedächtnis speichern. Es waren auch Leute darunter, die Einfluss besaßen. Einige gibt es heute noch…«
»Denkst du an die Polizei?«
»Auch.«
»Und wie ist das gewesen, als du Tamara hergeholt hast? Das war doch ein Zufall - oder?«
»Ja, so habe ich es angesehen«, erwiderte Veruschka mit leiser Stimme. »Aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Ich traf sie hier in der Nähe. Sie stand plötzlich vor mir, und ich habe sie sofort erkannt. Da ist mir dann die Idee gekommen. Ich wusste ja, wie krank deine Tochter ist, und ich war mir selbst unsicher, ob ich überhaupt etwas für sie tun konnte. Da ist mir dann der Gedanke mit Tamara gekommen. Nur wusste ich nicht, wer sich wirklich dahinter verbarg.«
»Dir kann keiner einen Vorwurf machen, Veruschka.«
»Das weiß ich ja. Und trotzdem fühle ich mich irgendwie schuldig. Ich muss einfach etwas unternehmen.«
»Und was?«
»Tja, das ist die Frage. Ich zermartere mir den Kopf, und ich glaube auch, eine Idee gehabt zu haben.. Aber sie ist sehr vage. Sie ist weg.«
»Hat sie denn mit einem Menschen zu tun?«
»Ja, das hat sie!«
»Mann oder Frau?«
»Ich denke, es ist eine Frau gewesen. Ich habe sie erlebt, und es hing mit meinem Beruf zusammen. Nicht weit von meiner Wohnung entfernt kam es zu einer Schießerei. Es gab Tote und Verletzte. Ich bin hingelaufen, weil ich als Ärztin helfen wollte. Da waren die Vermummten von den Kommandos, und da habe ich auch eine junge Frau gesehen. Sie hatte dort einiges zu sagen und den Einsatz mit geleitet.«
»Kennst du sie näher?«
»Ja und nein. Ich habe sie kennen gelernt. Wir haben später zusammen einen Tee getrunken und sind dabei im Gespräch auch privat geworden. Sie erzählte mir, dass sie auch Fälle bearbeitet, über die andere Menschen nur den Kopf schütteln.«
»Wie meinst du das denn?«
»Dinge, die man sich nicht erklären kann.«
»So wie hier also?«
»Ja, so ähnlich.«
Svetlana stellte die entscheidende Frage. »Und wie heißt diese Person mit Namen?«
Veruschka lächelte. »Den habe ich behalten, und ich weiß sogar, wie man sie erreichen kann.«
»Sage ihn doch!«
Die Ärztin stand auf. Sie lächelte, machte es spannend. Dann holte sie noch einmal Luft. »Die Frau, von der ich spreche, heißt Karina Grischin…«
***
Meine und auch Karinas Befürchtungen trafen nicht zu. Bei der Erstürmung des Hauses durch das Einsatzkommando hatte es kein Blutbad gegeben. Nur zwei Verletzte, die schon verbunden worden waren und auf der breiten Couch nebeneinander lagen.
Karina hatte auch mit dem Arzt gesprochen und ihn in die Schwimmhalle geschickt, wo er sich den Toten genauer anschauen sollte. Und wir wollten uns um den Kontakt zu dieser seltsamen Heilerin kümmern.
Es gab zwei Computer, aber einer reichte uns aus. Karina hatte die E-Mail-Adresse nicht vergessen.
Sie stellte den PC an und wir warteten, bis er hochgefahren war.
»Wie willst du vorgehen?«, fragte ich.
»Ganz einfach. Ich werde mich von ihr heilen lassen. Ich schicke ihr die Nachricht, dass ich einen Gehirntumor habe und mir keiner mehr helfen kann.«
»So weit, so gut«, sagte ich.
»Aber?«
Ich lächelte sie an. »Wenn wir davon ausgehen, dass alles so bleibt wie es gewesen ist, dann muss für deine Heilung ja jemand sterben. Hast du daran auch gedacht?«
»Klar.« Sie lächelte mich an, als hätte sie mir soeben einen tollen Witz erzählt.
Ich nickte nur und schloss ergeben die Augen. »Ah ja, klar, ich soll geopfert werden.«
»Das dachte ich mir, John. Aber nicht wirklich. Du wirst doch stark genug sein, um gegen sie anzukommen. Außerdem habe ich keinen Tumor im Kopf. Wir legen sie also rein.«
»Und du meinst nicht, dass sie das merkt?«
»Später schon. Aber dann haben wir sie. Ist doch ganz einfach, oder etwa nicht?«
»Einfach, ja. Fragt sich nur, ob wir damit auch erfolgreich sein werden.«
Sie nickte überzeugt. »Nur die einfachen Pläne bringen Erfolg. Meistens zumindest.«
»Du musst es ja wissen.«
»Genau, John. Und jetzt lass mich bitte mailen.«
Wenn sie einmal Blut geleckt hatte, dann war meine russische Freundin und Kollegin nicht zu halten.
Sie wollte den Erfolg, den wollte ich auch, doch ich bezweifelte, dass sich die Dinge so simpel entwickeln würden. Irgendwie hatte ich das
Weitere Kostenlose Bücher