1256 - Belials Bann
wie um ihm Respekt zu zollen. Sie reagierte damit wie ein Kind, das sich klein machte.
Die Stimme schrillte und sägte durch ihren Kopf. Es war eine Kommunikation der anderen Art, aber sie wurde übersetzt. Und Tamara konnte den Kopf nur noch tiefer senken.
Schließlich fiel sie auf die Knie. Ihr Kopf schien zerspringen zu wollen. Die Vorwürfe waren einfach zu schlimm. Sie hämmerten auf sie nieder, und sie fand nicht den Mut, sich zu verteidigen. Schließlich wurde sie dazu durch eine Frage gezwungen, und mit einer mühsamen Bewegung hob sie schließlich den Kopf wieder an, um auf den Spiegel zu schauen.
Dort stand er noch immer. Seine Flügel hatte er hinter dem Rücken zusammengefaltet, der Mund stand offen, als wollte er einen Wutschrei ausstoßen.
»Verteidige dich!«
Es war ein Befehl, und dem würde sie auch nachkommen. Er war zugleich die Wahrheit, die ihr bekannt gab, dass er sie nicht töten wollte. Das hätte er ansonsten schon längst tun können.
»Ich wollte es. Ich wollte mich wieder aufladen. Aber es war das Kind. Ich hatte es geheilt, und dann stand mir die Mutter auch zur Verfügung, aber das Kind hat gebetet. Nur gebetet. Nicht zu dir, sondern zu dem, den wir hassen. Zu dem, was wir alle hassen. Ich wurde abgelenkt. Ich war nicht stark genug, denn das Kind betete weiter, und für mich wurde es immer schlimmer. Ich hörte die Worte und empfand sie wie körperliche Schmerzen. Es war grauenhaft, und ich musste fliehen.«
»Du hast dich verkrochen!«
»Ja, das habe ich!«
»Wie ein Feigling hast du dich verkrochen!«
»Was sollte ich denn tun?«
»Aufstehen und kämpfen!«
»Das Kind war zu stark«, erklärte sie mit Jammerstimme.
»Ja, und du hast es geheilt!«
»Ich weiß. Ich konnte doch nicht anders. Das musst du verstehen. Ich habe es nicht wissen können.«
Belial sagte nichts mehr. Sekunden der Stille vergingen, und auch weiterhin kniete Tamara in dieser demütigen Haltung vor ihrem King. Sie wagte nicht, den Kopf zu heben, ein falscher Blick nur und er hätte sie brutal gestraft. Er war in der Lage, sie durch einen Blitz zu töten. Einfach verbrennen zu lassen, so dass von ihr nur Staub zurückblieb.
Das tat der Engel der Lügen nicht. Er ließ sie eine Weile in der eigenen Qual, dann meldete er sich wieder mit seiner schrillen Stimme: »Schau mich an.«
Sie hob den Blick.
Belial hielt sich auch weiterhin im Spiegel auf. Er war die beherrschende Person, und er kam ihr vor, als würde er nicht nur den Spiegel beherrschen, sondern den gesamten Raum, in dem er die Zeichen des Grauens hinterlassen hatte.
Mit einer scharfen Bewegung streckte er seinen rechten Arm vor. Tamara sah es und hatte trotzdem den Eindruck, dass der Arm den Spiegel irgendwie nicht verlassen hatte. Diese Gestalt war in der Lage, die Dimensionen zu beherrschen. Für sie gab es weder Mauern und Wände noch andere Hindernisse. Die langen Finger hielt er gespreizt. Aufgrund der ebenfalls langen Nägel sahen sie aus wie Messer, die durch ihre Stiche alles zerstörten.
»Dir gebe ich noch eine Chance, Tamara. Du wirst zu Hochform auflaufen. Nur wenn du eine andere Person tötest, habe ich mein Ziel erreicht. Die Heilung, die Lüge, alles gehört bei mir zusammen, das weißt du. Aber jetzt hast du diesen Boden verlassen und das kann ich nicht dulden.«
»Was soll ich denn tun?«
Belial lachte. Nur hörte es sich nicht an wie bei einem Menschen, sondern einfach nur unartikuliert.
Als wären mehrere disharmonische Instrumente zusammen gekommen.
»Welche Pläne verfolgst du?«
»Ich werde heute Abend jemanden heilen.«
»Wo?«
»Im Sender.«
»Das ist gut. Kennst du die Person?«
»Nein.« Sie sprach schnell weiter, um ihn nicht wütend werden zu lassen. »Aber sie erfüllt die Voraussetzungen, denn sie ist todkrank. In ihrem Kopf befindet sich ein Tumor. Ich werde ihn bestimmt vernichten können und dann habe ich wieder gewonnen.«
»Bringt sie Jemanden mit?«
»Ja, das wollte ich dir noch sagen. Es ist ein Mann, ein Freund. Er bleibt an ihrer Seite, und ich weiß genau, dass ich ihn mir anschließend vornehmen werde. Da hole ich mir meine Kraft zurück, und du kannst wieder zufrieden sein.«
Tamara zitterte wieder. Sie hatte ihre Antwort gegeben und jetzt kam es darauf an, ob Belial sie auch akzeptierte. Sie konnte nur darauf hoffen. Sie blickte ihn unterwürfig an und hatte den Kopf dabei schräg gelegt.
»Ja, das verlange ich auch. Es ist eine Selbstverständlichkeit. Aber da ist noch etwas, das du
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