1256 - Belials Bann
mich fixiert, denn schließlich war Tamara so etwas wie sein Geschöpf.
»Ich habe mein Versprechen gehalten, Sinclair. Jetzt bist du an der Reihe.«
»Natürlich. So war es abgemacht!«
Ich nahm das Kreuz von der Gestalt der Heilerin weg und trat zugleich zur Seite. Sie war jetzt frei, aber sie bewegte sich nicht. Anscheinend wartete sie auf eine Aufforderung.
»Komm her! Steh auf!«, befahl Belial.
Tamara bewegte sich nicht.
»Hoch mit dir!«
Ich hatte nichts gesagt und sie stattdessen beobachtet. Dabei war mir etwas aufgefallen. Zwar sah ich einen Körper vor mir, aber er war nicht mehr so, wie man einen normalen kannte. Er war in diesem Zwischenstadium durch die Macht meines Kreuzes erstarrt. Wenn man ihn locker beschreiben wollte, dann musste man ihn mit einem Gebilde aus Kristall oder Zuckerguss vergleichen.
Es gab kein Leben mehr in ihr. Der Tod hatte sie in ihrer Zwischenstation geholt. Das war Belial noch nicht klar geworden, denn er schrie sie abermals an.
»Hoch mit dir!«
»Sie kann nicht!«, rief ich.
»Wieso nicht? Sie gehört mir! Sie tut genau das, was ich ihr befehle!«
»Nicht mehr!« Ich hatte jetzt Oberwasser gewonnen, weil ich wusste, dass ich auf der Siegerstraße war. Und das demonstrierte ich Belial in den nächsten Augenblicken auf verdammt drastische Art und Weise.
Ich hob meinen rechten Fuß an und trat mir voller Wucht gegen die Gestalt. Das dabei entstehende Geräusch war für mich wichtig, und ich hatte mich nicht geirrt.
Ich hörte keinen dumpfen Laut, auch keinen, der klang, als hätte ich gegen ein Stück Fleisch getreten, nein, denn diesmal klang etwas anderes auf, und das war Musik zumindest in meinen Ohren.
Die Gestalt, die einmal das Wesen Tamara gewesen war, gab nur noch ein Knirschen und Brechen von sich. Als hätte ich tatsächlich gegen Zuckerguss getreten.
Belial schaute zu, wie die Gestalt zusammenbrach. Ich sah ebenfalls hin und trat noch einmal zu.
Dabei konnte ich mir ein Lachen nicht verbeißen. Der Triumph musste einfach raus. In mein Lachen hinein erklang ein irrer Schrei, der kaum etwas Menschliches mehr an sich hatte. Belial drehte durch, was für uns lebensgefährlich werden konnte. Aber er hatte genug. Diese Niederlage musste ihn erschüttert haben.
Bevor ich irgendetwas dagegen tun konnte, durchzuckte ein wahnsinniges Schütteln seine Gestalt. Im nächsten Moment drangen aus ihr lanzenscharfe Blitze hervor, die sich wie hell blinkende Schwerter in alle Richtungen verteilten.
Zugleich löste sich die mächtige graue Gestalt auf, was von einem lauten zischenden Geräusch begleitet war. Ein paar letzte Blitze zuckten noch durch die Leere des Studios, dann war diese mächtige Erscheinung verschwunden.
Belial war wieder zurück in seine Welt gekehrt. An seine Helferin verschwendete er keine Gedanken mehr, denn was konnte einer wie er schon mit einer Gestalt anfangen, die zusammengebrochen war und sich in zahlreichen Krümeln und Stücken auf dem Boden verteilte, was meinem Kreuz zuzuschreiben war…
In Karinas Augen schimmerten Tränen der Freude darüber, dass wir es geschafft hatten. Wir umarmten uns und waren froh, dass es vorbei war. Dass sie die Kollegen der Mordkommission anrufen würde, stand fest, aber es hatte noch Zeit, denn etwas anderes war in diesem Moment viel wichtiger.
»Wir werden Svetlana ihre Tochter zurückbringen, John. Bist du dabei?«
»Worauf du dich verlassen kannst…«
ENDE des Zweiteilers
[1] Siehe John Sinclair Nr. 1255 »Böser schöner Engel«
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