1256 - Belials Bann
froh ist, Sie an der Seite zu haben, und Sie sind auch jemand, der etwas akzeptiert, über das andere nur lachen.«
»Das kann allerdings sein.«
Wir saßen uns an der Tischecke gegenüber. Die anderen beiden Frauen waren im Nebenzimmer verschwunden. Ich hörte sie dort sprechen, vernahm aber auch die Stimme eines Kindes.
Veruschka hatte meinen schiefen Blick bemerkt. »Im zweiten Zimmer ist Jamina. Sie war so krank, und da habe ich die Heilerin geholt. Es war auch richtig, sie wurde wieder gesund. Aber was dann passierte, das kann ich noch immer nicht fassen, obwohl ich es mit eigenen Augen gesehen habe.«
»Wäre es nicht gut, wenn Sie alles der Reihe nach erzählen würden, damit ich mir ein Bild machen kann?«
»Ja, das hatte ich gerade vor. Ich muss mich nur sammeln.« Sie trank etwas von der grünlich aussehenden Limonade. Auch uns war das Getränk angeboten worden, aber wir hatten abgelehnt.
Anschließend hörte ich zu. Was mir die Ärztin erzählte, klang einfach unglaublich. Aber ich hatte schon so viele unglaubliche Dinge erlebt und war auch ständig damit konfrontiert worden, dass ich an diesem Bericht keinen Zweifel hegte.
Da war ein Kind geheilt worden, aber anschließend hatte sich die Heilerin ihren Lohn holen wollen, indem sie die Mutter töten wollte. Es war ihr nicht gelungen, weil das Mädchen gebetet hatte. Genau diese Worte hatten den Engel vertrieben, der für mich kein Engel war, sondern ein Bote aus der Hölle.
»Wie hat Tamara denn reagiert?«
»Sie löste sich auf.«
»Ach ja?«
»Sie löste sich auf!«, bestätigte die Ärztin. »So wie sie es tat, als sie Jamina heilte. Da ist sie in sie hineingedrungen und hat sich praktisch mit ihr vereinigt.«
»Können Sie sie beschreiben?«
Veruschka schaute mich an. Zwischen uns hatte sich innerhalb kürzester Zeit ein vertrauliches Verhältnis aufgebaut.
»Ja, mein junger Freund, ich kann sie beschreiben, und wenn ich sie wieder als Engel bezeichne, ist das nicht übertrieben. Aber diese Person ist kein guter Engel. Hinter ihrer schönen Larve verbirgt sich etwas Schreckliches, denn sie kennt keine Rücksicht. Sie gibt und sie nimmt.« Veruschka deutete mit den Händen an, was sie meinte. »Und so hält sie das Gleichgewicht. Mehr kann ich dazu auch nicht sagen.«
»Ansonsten kennen Sie sie auch nur aus dem Fernsehen?«
»Ja. Bis ich sie dann hier auf der Straße sah. Da war alles anders. Mir fiel das kranke Kind ein, und ich dachte, dass das die Möglichkeit ist, Jamina zu heilen. Das ist auch passiert, doch der Preis wäre so grausam gewesen.«
Ich nickte vor mich hin. Sie hatte die richtigen Worte getroffen. Ich jedoch dachte über bestimmte Dinge nach und fragte mich natürlich, warum diese seltsame Person zuerst heilte und anschließend einen anderen Menschen tötete.
Normal war das nicht. Ich konnte auch die normale Logik vergessen, denn dahinter steckte mehr, viel mehr. Meiner Ansicht nach musste sie einen Ausgleich erhalten, um diese Heilung, die Kraft gekostet hatte, zu kompensieren.
Aber wer steckte dahinter?
Für mich handelte sie nicht aus eigenem Antrieb. Da musste jemand an einem langen Draht sitzen und ihn fest halten. Aber wer?
Ich konnte es drehen und wenden, eine Antwort würde ich nicht bekommen. Die Welt der Engel war zu vielschichtig und…
»Ja, sie ist ein Engel!«, wiederholte die Ärztin mit fester Stimme den Satz, so dass ich aufmerksam wurde, weil sie das eben wieder so betont hatte.
»Was macht Sie denn da so sicher?«
»Ich habe ihren Rücken gesehen, und dort sah ich auch die beiden Gegenstände.«
»Und?«
Sie sprach und staunte zugleich. »Es sind Flügel gewesen. Dunkle Flügel.« Sie fasste meine Hände an, und ich spürte ihr leichtes Zittern. »Können Sie sich das vorstellen?«
»Ja, das kann ich.«
»Sie… Sie… glauben an Engel?«
»Ich habe sie gesehen.«
»Dann«, flüsterte sie, »sind Sie der Richtige für uns. Ich freue mich, dass es Sie gibt und Karina Sie mitgebracht hat.«
»Wir werden sehen, was wir tun können.«
Der vertrauensvolle Glanz in ihren Augen verschwand nicht. »Und was wollt ihr tun? Habt ihr euch schon darüber Gedanken gemacht?«
»Nein, das haben wir nicht. Wir wollten erst hören, was es hier zu sagen gibt. Danach richten wir dann unsere weiteren Aktionen aus. Nur nichts überstürzen.«
»Das ist gut.«
Ein leicht knarrendes Geräusch ließ uns verstummen, als sich die Tür zum zweiten Zimmer weiter öffnete, und ich lernte diejenige Person kennen,
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