1258 - Der Leichen-Skandal
Aussehen gewundert, aber sie wären zu dumm gewesen, um eine Erklärung zu finden. Ich aber weiß verdammt gut Bescheid. Ich kenne ihn. Er hat frische Leichen gefordert, wenn er mich besuchte, und so habe ich ihm den Gefallen getan. Ich habe sie am Hang begraben. Alles passierte bei Nacht und Nebel. Und so konnte er sich seine Nahrung holen. Was war schon dabei? Tot ist tot. Die meisten Leichen habe ich ja verbrannt. Er bekam so viele wie er wollte, um satt zu werden. Das ist die Wahrheit. Die können Sie akzeptieren oder nicht. Ist mir egal.« Er sagte nichts mehr und blieb sitzen. Aber er lächelte wieder, als wollte er sich über uns amüsieren.
Das sah bei Suko und mir anders aus als bei Helen und dem Förster. Sie flüsterten miteinander, doch wir wussten, dass es die Leichenfresser tatsächlich gab. Zu oft schon hatten wir gegen sie gekämpft und waren auch durch Gräber gekrochen, um sie zu stellen.
Wenn man es genau betrachtete, dann gab es in dieser Umgebung ideale Bedingungen für einen Ghoul. Nicht nur den normalen Friedhof, sondern auch diese Verbrennungsanlage, in der sich der Leichen-Skandal hatte aufbauen können.
Ich konnte Frosts Motive sogar verstehen. Er musste den Ghoul füttern, wenn man es genau nahm.
Und nur durch das Füttern konnte er sich diese Kreatur vom Hals halten.
Der Fall war nicht gekippt, aber er hatte sich gedreht. Er war zu einer Sache für uns geworden. Er hatte seine »Normalität« abgelegt und sich klammheimlich in unser Gebiet hineingeschlichen. Jetzt oblag es uns, den Leichenfresser zu stellen.
Dick Paine wollte etwas wissen. Man sah seinem Gesicht an, dass er es nicht glaubte, und er schüttelte auch den Kopf. »Aber das kann doch nicht sein - oder?«
»Leider doch«, erklärte ich.
»Gibt es Ghouls?«
»Wir müssen davon ausgehen.«
»Dann haben Sie schon einen gesehen?«
»Es gibt sie«, sagte ich. »Und es obliegt jetzt uns, den Leichenfresser zu stoppen.«
»Das ist doch Wahnsinn!« Er konnte es nicht fassen und presste seine Hände gegen die Wangen.
»Der ganz normale Wahnsinn«, erklärte ich und lächelte. »Für Sie nicht, aber für uns.«
Paine hatte es akzeptiert und fragte nur noch: »Was sollen wir denn jetzt tun?«
»Sie und Helen Carver unternehmen gar nichts. Sie bleiben mit Abel Grange hier zurück.« Der Förster hatte sein Gewehr mitgenommen, und ich fragte ihn, ob es geladen war.
»Ja.«
»Sehr gut. Dann können Sie Grange bewachen. Mein Kollege und ich werden uns den Hang mal aus der Nähe anschauen, und dazu nehmen wir unseren Freund Frost mit.«
Frost sagte zunächst nichts, bis er plötzlich auflachte. Er nickte uns mehrmals zu und fragte lachend:
»Was wollt ihr denn da?«
»Die Leichen anschauen.«
»Und dann kommt der Ghoul, wie?«
»Das hoffen wir!«
Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet, denn er kam aus dem Staunen nicht heraus. »Ha, wisst ihr eigentlich, was ihr euch damit antun werdet?«
»Für uns ist alles klar«, sagte Suko. »Ansonsten haben wir ja den richtigen Schutzengel an unserer Seite.« Er stand auf, trat auf Dave Frost zu und riss ihn aus dem Sessel hoch. »Wir werden jetzt einen kleinen Spaziergang unternehmen. Nur dass Sie diesmal keine Leichen den Hang hoch zu schleppen brauchen…«
***
Dave Frost war ein Mensch, der seine Chancen nutzte, wenn es eben möglich war. Deshalb gingen wir bei ihm auch auf Nummer sicher und nahmen ihm die Handschellen nicht ab.
Es war mittlerweile ein sehr grauer Tag geworden. Die Sonne hatte sich zurückgezogen und auch den Hauch von Frühling mit sich genommen. Die Wolkendecke hing wie ein gewaltiger Trauerflor am Himmel.
Bisher hatten Suko und ich nur von diesem Hang gehört. Jetzt aber konnten wir ihn sehen, als wir um das Krematorium herum gegangen waren und die Rückseite erreichten.
Der Bau mit den beiden Schornsteinen lag am Ortsrand von Wexham. Die ersten Wohnhäuser waren weit entfernt, was den Bewohnern sicherlich recht war. Zwischen dem Krematorium und dem bewussten Hang gab es kein weiteres Gebäude. Wir mussten über freies Gelände laufen, und so war unser Blick auf den Hang ebenfalls frei.
Er war im oberen Teil stärker bewachsen als an seinem unteren Ende. Dort wuchsen nur Sträucher oder kahle Büsche. Weiter oben breiteten sich Bäume aus, die um diese Zeit noch keine Blätter besaßen. Da wären höchstens die ersten Knospen erschienen, und so machte der Wald auf uns einen recht lichten Eindruck.
Wir sahen nicht, wo der Boden aufgerissen worden
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