1258 - Der Leichen-Skandal
war. Dazu war die Entfernung zu groß. Auch eine Bewegung zwischen den Bäumen war nicht zu erkennen.
»Und niemand aus dem Ort hat über den Ghoul Bescheid gewusst?«, fragte ich Dave Frost.
»Nein, keiner.«
»Aber Sie!«
»Ja, das musste so kommen. Bei meinem Job.« Er lachte kratzig. Er hatte sich auch wieder gefangen, und keiner von uns glaubte, dass er aufgegeben hatte. Er setzte auf seinen »Freund«, der wirklich zu den widerlichsten Dämonen zählte, die man sich vorstellen konnte. Ghouls ernährten sich von Toten.
Sie waren schleimig, damit sie sich durch die Gänge glatter bewegen konnten, die sie auf den Friedhöfen hinterlassen hatten. Oft gab es auf den alten Begräbnisstätten regelrechte Labyrinthe unter der Erde. In der letzten Zeit hatten wir mit den Leichenfressern weniger zu tun gehabt, aber dass sie ausgerottet waren, davon konnte keine Rede sein, das erlebten wir auch hier wieder.
Frost schaute uns spöttisch an. »Ich denke, dass ihr euch nicht darüber im Klaren seid, was passiert, wenn ihr ihn seht. Eure Chancen sind verdammt gering.«
»Das bleibt abzuwarten«, sagte Suko.
»Man kann ihn nicht einfach killen. Er schluckt die Kugeln. Er ist immun dagegen.«
»Das wissen wir«, erklärte Suko gelassen und schob den Gefesselten vor.
Dave Frost stemmte sich gegen den Griff. »He, was soll das? Habt ihr meine Warnung nicht gehört?«
»Doch, aber Sie müssen sich vorstellen, dass es noch andere Menschen gibt, die sich mit Ghouls auskennen. Sie sind nicht der Einzige, Frost. Und jetzt gehen Sie!«
Er gab auch keinen Kommentar mehr ab, ging vor uns her und betrat einen schmalen Weg, der vom Grundstück des Krematoriums wegführte und direkt auf die Böschung zulief.
Die normale Straße führte an der gegenüberliegenden Seite vorbei auf Wexham zu. Dort sah alles aus wie immer. Die Autos fuhren, die Fahrer ließen das Krematorium links liegen, und es gab auch keinen Bus, der zum Parkplatz hin abbog.
Es lief ein völlig normaler Tag ab. Mit völlig normalen Regeln. Niemand ahnte, was hier tatsächlich passiert war, und es interessierte sich auch niemand für den Hang, der durch das Unwetter seine Blessuren erhalten hatte.
Das war auch gut so. Es wäre fatal gewesen, wenn Kinder das Gebiet plötzlich als Spielplatz entdeckt hätten. Daran wollte ich gar nicht denken und hoffte nur, dass ich den verdammten Ghoul zu sehen bekam, um ihn zu vernichten.
Suko und ich gingen normal. Das war bei Frost nicht der Fall. Er bekam Schwierigkeiten, den relativ steilen Weg nach oben zu gehen, denn seine gefesselten Hände behinderten ihn schon. Er konnte sich nicht an den Seiten abstützen, fluchte deshalb auch, was wir allerdings geflissentlich überhörten.
Es gab viele feuchte Stellen auf der Steigung. Manchmal mussten wir uns an irgendwelchen Sträuchern fest halten oder hochziehen, um besser voranzukommen.
Suko unterstützte den Mann mehr als einmal, sodass Frost nicht auf dem Bauch landete.
Ich hatte die Führung übernommen. Der Wald war da, er rückte auch näher, aber er lag schon weiter zurück, als ich gedacht hatte. Da ich eine gewisse Höhe erreicht hatte, schälte sich auch ein anderes Bild hervor, wenn ich den Kopf nach rechts drehte. Dort nämlich wuchsen einige Grabsteine über die Bodenhöhe hinaus. Da lag der alte Friedhof, der von keiner Mauer umgeben war.
Es war der ideale Flecken Erde für einen Ghoul. Bestimmt hatte dieser schon seinen Hunger gestillt, und ich wollte nicht wissen, wie es unter der Erde aussah.
Ghouls sind unersättlich. Sie brauchen immer wieder neue Nahrung. Und deshalb hatte sich auch diese dämonische Abart nach neuen Wegen umgeschaut.
Wegen der Steile ging ich mit langsamen und etwas schwerfällig anmutenden Schritten weiter. Auch ich hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Immer wieder musste ich nach trittsicheren Stellen im Boden suchen, um mich abzustützen.
Ich schnüffelte auch. Man kann die Ghouls riechen. Das ist ihr Nachteil und Warnung zugleich für die Menschen. Ein Ghoul kann seinen Leichengestank einfach nicht verbergen. Er sondert ihn wie einen unsichtbaren Dampf ab. Der Gestank umgibt ihn wie eine Wolke, die nicht zu stoppen ist.
Auf all diese Erfahrungen konnten wir zurückgreifen, und bisher war es noch keinem Ghoul gelungen, gegen uns einen Sieg zu erringen. Wenn man es genau nahm, dann gehörten die Ghouls zur unteren Stufe in der Dämonenhierarchie, denn sie dachten nur daran, ihren Hunger zu stillen und kümmerten sich um
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