1262 - Schule der Helden
wolle.
Aber wenn man ihn so sah, machte er keineswegs den Eindruck, in der Blüte des Lebens zu stehen. Er hatte einen krummen Rücken bekommen und zog den Kopf zwischen die Schultern. Das ließ ihn kleiner erscheinen als er war, und gleichzeitig auch älter.
Und auch sonst war eine erschreckende Verwandlung mit ihm vor sich gegangen.
Sheela wurde durch Zufall darauf aufmerksam. Sie war jeden Tag mit ihm zusammen und verbrachte auch ihre Freizeit größtenteils mit ihm, so daß sie die Veränderungen nicht in ihrem vollen Ausmaß erkannte. Erst als sie ein einige Tage zurückliegendes Bild-Diktat abspielte, stellte sie erschrocken fest, daß er damals eine ganz andere Physiognomie gehabt hatte.
Seine Stirn war nicht mehr vorgewölbt, sondern flacher, der Kopf war insgesamt breiter, das Kinn weniger vorgereckt und vergleichsweise fliehend, und auch die Nasenflügel waren nunmehr breiter.
„Erasmus, laß dich untersuchen", bedrängte sie ihn neuerlich. „Deine Metamorphose nimmt beängstigende Ausmaße an. Du solltest zum Saturnmond Mimas gehen und dich untersuchen lassen. Dort kann man dir sicherlich helfen."
Das war am 10. August.
„Zu umständlich", sagte der Konsul mit einer Stimme, die Sheela viel tiefer erschien als früher. „Die fünf Tage bis zur Eröffnung der Schule der Helden muß ich noch durchstehen."
Sheela befürchtete, daß er das nicht mehr schaffen würde. Er konnte der Kraft, die ihn beugte und die ihn, wenn er über dem Computer saß, in eine embryoähnliche Haltung zwang, nicht entgegenwirken.
Er bat sie, ihn an diesem Abend allein zu lassen, und es war seit Wochen der erste Abend, den sie nicht gemeinsam verbrachten. Als Sheela am nächsten Tag ins Konsulat kam, war Erasmus nicht da. Er hatte eine holografische Nachricht hinterlassen, und als Sheela sie abspielte, krampfte es ihr das Herz zusammen. Erasmus konnte sich kaum mehr aufrecht halten und mußte von tief unten ins Objektiv blinzeln.
„Shee, mein Kätzchen", sagte er mit krächzender Stimme, und es war das erstemal, daß er sie so nannte, „ich habe beschlossen, mich doch in Behandlung zu begeben.
Unternimm nichts, mach dir keine Sorgen um mich, bei unserer nächsten Begegnung werde ich vor Gesundheit nur so strotzen. Wir werden uns spätestens in der Schule der Helden treffen. Wenn ich nicht rechtzeitig von meiner Kur zurückkomme, dann mußt du allein hingehen. Versprich mir das."
Bei seinen letzten Worten wurde er von einem Krampf befallen und rollte sich wie ein Igel zusammen. Er verschwand aus dem Bild, und die Holografie erlosch.
Aus irgendeinem Grund war Sheela sicher, daß er nicht mehr ins Konsulat zurückkommen würde. Sie hoffte nur, daß er sein Versprechen einhalten konnte und sie auf dem Gipfel des Mount Everest treffen würde.
Stalker hatte nämlich vor Tagen bekanntgegeben, daß er seine Heldenschule auf dem Gipfel des höchsten Berges der Erde errichten wolle. Diese Eröffnung hatte für einige Aufregung gesorgt, und die terranischen Naturschützer waren dagegen Sturm gelaufen.
Sie forderten die LFT auf, eine solche Schändung eines einmaligen Naturdenkmals zu verhindern. Aber all diese Proteste wurden abgewiesen.
Es gab noch eine heftigere Welle der Empörung, als durchsickerte, daß Stalker den Gipfel des Mount Everest abgetragen hatte, um eine ebene Grundfläche von 80 mal 50 Metern als Fundament für sein Bauwerk zu haben.
Stalker bequemte sich danach zu einer Stellungnahme in Terravision, in der er auf seine einschmeichelnde Art versicherte, daß er den Mount Everest mit einem Bauwerk krönen werde, wie es diesem höchsten Berg zustehe.
Zwei Tage später, am 12. August, fand die Enthüllung des Bauwerks statt, und die Meinungen gingen sehr weit auseinander, ob dies die richtige Krone für den höchsten Berg der Erde sei.
Sheela sah sich die LiveÜbertragung an, die von Krohn Meysenharts Medien-Crew in der bekannt spektakulären Weise gestaltet wurde.
Der Gipfel des Mount Everest war in künstliche Wolkentürme gehüllt, die sich während eines bunten Farbenspiels allmählich verflüchtigten. Darunter kam Stalkers Raumschiff ESTARTU zum Vorschein. Von dem sternförmigen Raumschiff ragte ein silberner Schutzschirm von gleicher Form in die Tiefe und verbarg den Gipfel vor den Blicken der Zuschauer.
Sheela überhörte Krohn Meysenharts Kommentar, sie achtete nur auf die Bilder.
Die ESTARTU schwebte langsam in die Höhe, und mit ihr der silberne Energieschatten, den sie auf den Gipfel des Mount
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