1264 - Justines Geisel
Austausch. Sie will uns beide…«
»Oder uns drei!« warf ich ein.
Suko nickte.
»Sie rechnet immer damit, dass du nicht allein kommst«, meinte er. »Wir sind Partner. Wir ziehen die Dinge allein durch. Das heißt allein zu zweit. Sie wird sich darauf eingestellt haben, und ich kann mir vorstellen, dass sie nicht allein ist und sich aus der verdammten Vampirwelt irgendwelche Typen geholt hat, die ihr zur Seite stehen.«
»Kein Widerspruch.«
»Okay, dann rechne damit, John, dass ich dir nicht sonderlich viel helfen kann.«
Er fasste schon zum Türöffner hin, stieß den Wagenschlag auf und stieg aus. Aber er ging noch nicht, sondern drehte sich um und schaute gebückt in den Rover zurück.
»Halt dich tapfer, Alter, heute geht es um alles.«
»Du dich auch!«
Suko ging. Ich wusste, dass er das gleiche verdammte Gefühl hatte wie ich.
Ich wartete noch, bis er hinter einigen Bäumen verschwunden war. Er würde nicht den normalen Weg gehen, sondern von der Seite her kommen und sich auch irgendwie in die Büsche schlagen.
Hier mussten wir einfach improvisieren.
Ich ließ einige Sekunden vergehen und saß hinter dem Lenkrad wie eine Steinfigur, den Blick nach vorn durch die Windschutzscheibe gerichtet, aber es gab nichts, was mich aufgeregt hätte. In der Umgebung blieb alles ruhig.
Natürlich drehten sich meine Gedanken um Glenda. Aber ich durfte mich auch nicht zu stark von ihnen beeinflussen lassen, denn es ging auch um meine Sicherheit.
Wie brutal die Cavallo vorging, das hatte ich mehr als einmal erleben müssen.
Mit diesen Gedanken startete ich den Motor. Wieder sah ich vor mir die Lichter der beiden Scheinwerferaugen, die jetzt in die anbrechende Dämmerung hineinglitten. Ich fuhr mit normalem Tempo, das heißt, nicht zu schnell und ebenfalls nicht zu langsam, denn es konnte sein, dass man mich schon jetzt beobachtete. Wer so gigantische Pläne verfolgte wie Justine Cavallo, der war auf alles gefasst, und der arbeitete auch nicht allein.
Die Gegend kam mir so bekannt vor. Durch meinen Kopf schossen wieder die Erinnerungen, die sich mit dem vorletzten Fall beschäftigten. Einiges war da nicht so gelaufen, wie ich es gern gehabt hätte, und noch jetzt sah ich die Cavallo mit dem Kopf des Engels Jamiel flüchten. Schon da hatte ich geahnt, dass noch etwas nachkommen würde, und ich hatte ja nun leider Recht behalten.
Allmählich näherte ich mich dem großen Tor, das seine eigentliche Funktion nicht mehr erfüllte, denn jeder, der wollte, konnte das Ruinengelände betreten, das eigentlich hätte saniert werden sollen. Aber den Investoren war das Geld ausgegangen, und so etwas kam nicht nur einmal in London vor.
Ich hielt den Rover dort an, wo ich schon mal geparkt hatte. Diesmal allerdings stieg ich mit anderen Gefühlen aus, blieb neben dem Rover stehen und schaute mich um.
Alles war so gleich. Selbst das Wetter hatte sich nicht verändert. Und die Gräue nahm zu, und mittlerweile stand ein wie aufgepumpt wirkender Halbmond am Himmel, der auf die große Stadt London niederglotzte.
Ich merkte, dass es in mir zu kribbeln begann. Ruhig konnte ich nicht bleiben, trotz der Stille, die es hier gab. Der Verkehr rollte an dieser mächtigen Baustelle vorbei. Wenn der Plan in die Tat umgesetzt worden wäre, hätte man hier etwas getan und sogar neue Straßen angelegt, aber diese Pläne waren in sehr weite Ferne gerückt.
Ich roch die Luft, die immer so nach alten Steinen, nach Feuchtigkeit und Abriss stank. Über meinem Kopf hatten sich die Wolken am Himmel verdichtet und bildeten eine Kulisse, die sich wie ein düsterer Bühnenaufbau zusammenzog.
Wir hatten Frühling. Die Temperaturen waren entsprechend. Der Wind blies auch nicht so kalt, aber er brachte eben diesen typischen Geruch von Staub und alten Steinen mit.
Das Tor war auch nicht wieder geschlossen worden. Man hatte es regelrecht aufgezerrt, denn mit der Unterseite rutschte es über den Bodenhinweg und hatte dort Spuren hinterlassen.
Ich drückte mich wieder durch die Lücke, und meine Spannung nahm noch mehr zu, als ich die ersten Schritte auf das Gelände setzte. Beim letzten Mal war ich nicht den direkten Weg gegangen, da hatte ich mich zuerst noch umschauen müssen und war auch im Keller einer alten Ruine einem Sauger begegnet.
Sie gab es nicht mehr. Oder nicht mehr in dieser Welt. Was sich in der düsteren Vampirwelt verbarg, das war mir nicht klar. Da konnte ich nur raten.
Die Angst um Glenda trieb mich zwar voran, aber ich rannte
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