1264 - Justines Geisel
unter einem so großen Druck. Schon zu oft war ich in die Enge getrieben worden, aber letztendlich hatte ich es noch immer geschafft.
Die blonde Bestie gab sich wieder locker und lässig. »Ich werde dieses Gebäude hier verlassen. Mit dem Kreuz, Sinclair. Denn du wirst es nicht wagen, die Formel zu sprechen. Denk immer an deine kleine Freundin. Du würdest sie vielleicht wiedersehen, dann aber wäre sie scharf auf dein Blut.«
Sie warf den Kopf zurück und lachte. »Es würde mir sogar Spaß machen, ihr den Vortritt zu lassen. Ihr gehört der erste Biss, und wir würden uns dein Blut teilen.«
Ja, sie log nicht. Ich wusste es. Schon einmal hatte sie es versucht. Da war ich nur knapp dieser Hölle entgangen. Mit den Waffen der Frau und der Gier einer Vampirin hatte sie versucht, mich zu einem Blutsauger zu machen. Letztendlich war ich davongekommen, aber ob Glenda dies auch gelingen würde, das war die große Frage.
Wenn sie sich tatsächlich in Mallmanns Klauen befand, was wir ja noch immer nicht wussten, dann sah es nach einem verdammten Sieg der anderen Seite aus. Dann besaßen die beiden nicht nur mein Kreuz, sondern auch einen Menschen, der mir sehr nahe stand. Und ich sah keine Möglichkeit, Glenda zu befreien.
Wir steckten in einer verdammten Klemme, aus der wir aus eigener Kraft nicht mehr herauskommen konnten.
Justine Cavallo drehte sich mit einer lässigen Bewegung um. Sie verhielt sich so, als wären wir nicht vorhanden. Diese Sicherheit war nicht gespielt, die konnte sie nur erhalten haben, weil ihr jemand den Rücken deckte.
Sie und Dracula II waren schon ein verfluchtes Paar!
Suko und mir blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Wir gingen hinter ihr her wie zwei Herren hinter der Hündin. Suko schritt links von mir. Als ich ihm einen Seitenblick zuwarf, sah ich, dass sich auch sein Gesicht verkantet hatte. Für mich war es ein Zeichen, dass es in ihm kochte.
Wir erreichten die Nähe des Ausgangs, und unser Blick nach draußen in das Gelände wurde besser.
Aber dort lag auch die Dunkelheit, und sie verdeckte einiges. Der Platz war ein einziges Versteck.
Da konnten wir die halbe Nacht suchen, ohne etwas zu finden.
Nicht so Justine Cavallo. Sie machte auf uns nicht den Eindruck, als müsste sie noch erst lange suchen, denn sie ging mit lockeren und auch zielsicheren Schritten voran. Sie wiegte sich dabei sogar in den Hüften, als wäre diese Umgebung ein Laufsteg, der dazu diente, irgendwelche Männer zu verführen.
Es war kälter geworden. Auch der Wind hatte zugenommen. Er blies jetzt gegen unsere Gesichter, und es brachte auch den Geruch nach alten Steinen, Staub, Sand und Kalk mit.
Wenn Justine Cavallo die Richtung beibehielt, würde sie auch das Tor erreichen. Ich bezweifelte allerdings, dass wir das Grundstück hier verlassen mussten. Dazu war es einfach zu ideal und bot die perfekten Verstecke.
Ich blickte hin und wieder zu den verschiedenen Seiten hin, während Suko nur auf Justine achtete.
Bei jeder Kopfbewegung merkte ich, dass noch nicht alles in Ordnung war, denn jedes Mal huschten die Stiche bis gegen die Schädeldecke, aber es gibt Situationen, da muss man einfach den eigenen Zustand ignorieren, und in einer derartigen steckten wir.
Es war tatsächlich nicht der Ausgang, den Justine erreichen wollte, denn sie schwenkte nach rechts ab, wo einige hohe Trümmer lagen, die wir umgehen mussten, um dann freie Sicht auf eine größere Ruine zu haben. Es war eine noch stehen gebliebene Mauer mit zahlreichen Fensterhöhlen, wobei die untere Reihe dieser leeren, düsteren Quadrate recht tief lag. Man konnte in sie hineinschauen, wenn man davorstand, aber es war nichts zu sehen, weil die Dunkelheit dahinter nistete.
Die blonde Bestie ging noch einige wenige Schritte auf die Mauer zu, und sie blieb stehen, als sie fast eine der Fensteröffnungen erreicht hatte. Wenn sie wollte, konnte sie sogar den Arm hindurchstrecken.
Sie drehte sich aber um, schaute uns an und nickte. »Wir sind am Ziel.«
»Wo ist Glenda?« fragte ich scharf.
Wieder ernteten wir ein Lachen. »Sie liegt dir wohl sehr am Herzen, wie?«
»Verdammt, wo ist sie?« In mir wallte wieder der Zorn hoch, und Suko legte mir beruhigend eine Hand auf den linken Unterarm.
»Schon gut«, sagte ich.
»Sie ist da, Sinclair«, sagte Justine Cavallo.
»Dann will ich sie sehen!«
Die blonde Bestie schnalzte mit der Zunge. »Das kann ich mir denken, aber es liegt nicht in meiner Hand. Ich halte sie ja nicht gefangen,
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