1264 - Justines Geisel
was dein Freund Sinclair zu tun hat.«
»Gut.«
»Auch wenn du schreist, ihn warnst und alles Mögliche von dir gibst, es wird deine Lage nicht verändern. Sage ihm nur, was ich dir auftrage, das ist besser für dich.«
Glenda deutete ein Nicken an. Ihre Angst wuchs immer mehr an…
***
Jeden Tag gibt es irgendwie Feierabend, der auch an mir nicht vorbeilief, doch an diesem späten Nachmittag oder frühen Abend hatte ich keine Lust, nach Hause zu fahren.
Hinter mir lag ein ereignisloser Tag. Den letzten Fall hatten mein Freund Suko und ich praktisch nicht selbst gelöst. Da waren wir erst ganz zum Schluss aufgetaucht, um unserer Freundin Jane Collins beizustehen, die sich um die ungewöhnliche Begabung einer vierzehnjährigen Schülerin gekümmert und schließlich herausgefunden hatte, dass sie in der Lage gewesen war, mit einem Toten zu sprechen.
Für Suko und mich war der Fall gelöst und abgehakt, für Jane ebenfalls, und in den letzten Stunden hatte ich das getan, was mir immer so einen irrsinnigen Spaß bereitete. Ich hatte mich mit Papierkram beschäftigt und einiges aufarbeiten müssen, was liegen geblieben war.
Jetzt hatte ich keine Lust mehr. Aber ich bekam auch nicht den Drive oder die Kurve, aufzustehen und nach Hause in meine Wohnung zu fahren. Statt dessen hockte ich auf meinem nach hinten geschobenen Schreibtischstuhl und hatte die Beine auf die Kante des Tisches gelegt. Relaxen und an nichts denken, wobei mir Letzteres schwer fiel.
Die Tür zum Büro wurde mit einem kräftigen Schwung aufgestoßen. Es gab nur einen, der auf diese Art und Weise eintrat. Das war mein Freund Suko.
»He, he«, sagte ich, »was ist los? Hat dich dein Besuch auf der Toilette so angetörnt?«
»Nie und nimmer.« Er rieb seine leicht feuchten Hände weiterhin trocken. »Aber ich bin nicht so lahm wie du.«
»Lahm?«
»Schau dich doch mal an.«
»Nun ja, im Moment habe ich keinen Bock. Außerdem geht mir zu viel durch den Kopf.«
»Dabei siehst du müde aus.«
»Das bin ich außerdem.«
»Wovon?«
»Haha, soll ich mal lachen? Ich kann ja sagen, dass ich müde von Beruf bin.«
»Wäre auch eine Ausrede.«
»Ausrede! Verdammt, das ist keine Ausrede.«
»Was dann?«
Ich deutete zum Fenster hin. »Wenn du nach draußen schaust, wirst du es merken.«
»Ja, wir haben Frühling.«
»Bingo. Und was gehört dazu?«
»Blühende Bäume und Sträucher. Sonne, weiches Licht. Ein besonderer Duft in der Luft…«
»Hör auf, hör auf!«, rief ich, »bevor du anfängst, richtig poetisch zu werden. Etwas hast du vergessen, Alter.«
»Was denn?«
Als ich an die Antwort dachte, musste ich gähnen. »Die Frühjahrsmüdigkeit«, erklärte ich dann. »Es ist eben das Wetter, wenn du verstehst.«
»Ja, stimmt, das begreife ich. Nur habe ich bisher immer gedacht, dass die Müdigkeit bei älteren Leuten auftritt. In diesem Fall scheint sich das verschoben zu haben.«
»Genau das ist es«, gab ich Suko Recht und deutete zugleich mit einer schlaffen Bewegung auf die Bürotür. »Selbst Glenda muss es erwischt haben, sonst wäre sie nicht schon gegangen. Selbst sie kam mir heute müde vor.«
»Gut, akzeptiert. Dann willst du also einen gesunden Büroschlaf halten?«
»Das werde ich nicht. Aber es kann durchaus sein, dass die verdammte Müdigkeit aufgetreten ist, weil ich mich mit diesem Papierkram beschäftigt habe.« Ich schielte auf die Ablage. »Glenda kann das Zeugs morgen einsortieren.«
»Das wird sie wohl…«
Und dann war es wie in einem Bühnenstück, bei dem die handelnden Personen ausgeredet hatten, denn plötzlich meldete sich das Telefon.
Ich verzog säuerlich den Mund. »Jetzt noch?«
»Willst du nicht abheben?«
»Du stehst besser.«
Suko schüttelte nur den Kopf und griff dann über den Schreibtisch hinweg nach dem Hörer.
Er meldete sich, hörte zu, und ich sah, dass sich sein Gesichtsausdruck veränderte. Leider nicht in die positive Richtung. Suko wurde sogar bleich.
»Was ist denn?«
»Es ist Glenda«, erklärte er nur und reichte mir den Hörer rüber. Aber wie er die Antwort gegeben hatte, das brachte bei mir schon das Blut in Wallung und sorgte zusätzlich dafür, dass sich eine bohrende Furcht ausbreitete…
***
Noch bevor ich mich gemeldet hatte, spürte ich den leichten Schweißfilm auf meiner Hand. Ich schluckte, dann nannte ich meinen Namen.
»John?«
Kein Zweifel, es war Glenda. Das hörte ich, obwohl in ihrer Stimme Panik mitschwang.
»Ja, ich…«
Sie unterbrach mich mit
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