1266 - Der Troß des Kriegers
Ckatoner unweigerlich ihr Labor zertrümmert.
Im Bildfeld des Mikroskops hatte sich inzwischen eine entscheidende Änderung vollzogen. Eine lange, kräftige Molekülkette mit mehreren Verzweigungen hatte sich gebildet.
Die Zahl der freien Korpuskeln wurde immer kleiner. Wie von einer unsichtbaren Kraft bewegt, strebten sie auf das Riesenmolekül zu und lagerten sich an dessen Verästelungen an. „Das ist es!" rief das Schiff mit unverhohlener Begeisterung. „Wir haben das Kodex-Molekül rekonstruiert!"
„Freu dich nicht zu früh", warnte Irmina. „Wir müssen noch ein paar Seitenglieder anhängen."
„Kleinigkeit", sagte das Schiff. „Die ersten Messungen ergeben völlige Übereinstimmung des physikalischen Verhaltens mit der Originalsubstanz, die leider der Neugierde unseres Freundes Kido zum Opfer gefallen ist."
Das kleine Wesen mit der verrunzelten grauen Haut duckte sich in gespielter Angst. Die Hände falteten sich über dem Schädel, als fürchtete Kido, geschlagen zu werden.
Irmina lachte. Dabei war ihr vor ein paar Tagen keineswegs nach Heiterkeit zumute gewesen. Zum Troß des Kriegers, der sich vor Cepor tummelte, gehörte auch das Raumschiff des Elfahders Volcayr, der als Vertreter des Kriegers Kalmer die vergangenen fünftausend Jahre auf Cloreon zugebracht und bei der Letzten Schlacht als Schiedsrichter fungiert hatte. An Bord des Schiffes befanden sich die vier Hanse-Spezialisten, die früher Reginald Bull und der übrigen Besatzung der EX-PLORER das Leben sauer gemacht hatten. Doran Meinster, der Sprecher der vier, hatte sich über Funk gemeldet und berichtet, der Elfahder lege seit kurzem ein eigenartiges, verstörtes Benehmen an den Tag.
Wenige Stunden später hatte Volcayrs Schiff Fahrt aufgenommen und den Troß verlassen. Irmina, von einer Ahnung getrieben, war ihm gefolgt. Nach einer anstrengenden Jagd quer durch das Labyrinth des psionischen Netzes hatte sie die Welt Urdalan erreicht, den einzigen Planeten einer Riesensonne in der Nähe des Zentrums der Galaxis Erendyra.
Urdalan war eine lebensfeindliche Glutwelt. Es gab dort jedoch ein Gebäude, eine riesige Kuppel, in der mit viel Aufwand eine paradiesische Landschaft geschaffen worden war.
Irmina hatte es fertiggebracht, in die Kuppel einzudringen. Auf den weiten Grasflächen weideten Herden achtbeiniger, ansonsten lamaähnlicher Tiere, die beim Atmen eine nebelartige Substanz aus den Nüstern bliesen. Diese Substanz hatte die Mutantin, immer noch ihrer Eingebung folgend, analysiert. Sie war kaum noch überrascht gewesen, als sie feststellte, daß der Atem der Lamaiden jene Art von Kodex-Molekülen, die sie in Roi Dantons Handschuh gefunden hatte, in hoher Konzentration enthielt.
Von da an war es ihr nicht mehr schwergefallen, sich die Dinge zusammenzureimen. Volcayr war süchtig. In regelmäßigen Abständen benötigte er eine Dosis der geheimnisvollen Peptide, deren Aufgabe es offenbar war, im Bewußtsein des Süchtigen unbedingte Kodextreue zu erzeugen. Irmina hatte sich eine Probe des Tieratems verschafft und den Rückweg angetreten. Dabei war sie entdeckt worden. Nur der Umsicht ihres Schiffes hatte sie es zu verdanken, daß sie heil den Ring der verderbenspeienden Abwehrforts im Vorfeld des Planeten passieren und nach Cepor zurückkehren konnte.
Dann war es geschehen. Kido hatte sich der Probe des Tieratems bemächtigt und die Kodex-Peptide inhaliert. Die Wirkung war sofort eingetreten. Kido hatte begonnen, sich als Krieger zu fühlen, und war als Rasender im Schiff umhergetobt.
Mit Mühe nur hatte Irmina ihn bändigen und dem Scanner zur Behandlung übergeben können. Kido war in reglose Starre versunken, aus der er sich erst vor kurzem wieder gelöst hatte. Für Irmina Kotschistowa war der Zwischenfall von großer Bedeutung. Sie hatte den Beweis erbracht, daß vom Kodex-Fieber Befallene - Kodex-Fieber nannte sie die Vorstufe der Kodex-Sucht - mit Hufe des Scanners geheilt werden konnten.
Das mochte als Übergangslösung dienen, bis sie die Synthese der Kodex-Peptide beherrschte und an die Entwicklung eines Gegenmittels gehen konnte.
Ihr Blick suchte die Videofläche.
Die letzten freischwebenden Moleküle waren verschwunden. Die Versuchssubstanz hatte sich zu einem riesigen Peptid-Komplex zusammengeschlossen. „Das ist das Urmuster", verkündete die ÄSKULAP. „Der Versuch ist in jeder Phase aufgezeichnet und kann beliebig oft nachvollzogen werden."
„Jetzt kommt das Experiment mit den Seitengliedern", sagte
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