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1269 - Julie

1269 - Julie

Titel: 1269 - Julie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Lippen.
    Ich ließ sie in Ruhe und schaute mir die nächste Zeichnung an. Wieder war es vom Grundmuster her der gleiche Engel, daran gab es nichts zu rütteln, aber er sah jetzt abstrakter aus und noch düsterer. Julie hatte das Innere der Gestalt mit grauen Strichen schraffiert und die beiden Flügel noch spitzer gemalt. Der Mund war zu einem Maul geworden.
    Diesmal hielt die Figur nur den linken Arm nach vorn gestreckt, ebenso wie den Zeigefinger, und dessen Spitze wies genau auf den Betrachter, in diesem Fall war ich es.
    Von dieser Zeichnung ging etwas aus, das man nur als gefährlich ansehen konnte. Ich spürte, dass ich eine Gänsehaut bekam.
    Die meisten Menschen hätten die Zeichnungen als die große Fantasie eines Kindes abgetan. Ich dachte darüber anders. Für mich waren es keine Fantasterien, denn das Problem Engel hatte sich schon oft genug in mein Leben hineingeschlichen. Ich ging zudem davon aus, dass Purdy Prentiss die Zeichnungen ebenfalls gesehen und mich deshalb alarmiert hatte.
    Es war die zweitletzte Zeichnung. Ein Blatt musste ich noch umdrehen, und in mir keimte eine innere Spannung auf, als ich das Blatt anfasste und es langsam umdrehte.
    Dann sah ich ihn!
    Es war wieder der gleiche Engel. Diesmal noch abstrakter und wilder. Da waren die Striche nicht so perfekt gezeichnet. Das Kind schien diese letzte Zeichnung in einer ungeheuren Wut zu Papier gebracht haben, um endlich etwas loszuwerden.
    Man konnte den Engel als zackig gemalte Gestalt ansehen, und natürlich war sein Inneres wieder von den dunklen und schraffierten Farben ausgefüllt.
    Ich konzentrierte mich auf das Gesicht.
    Im Gegensatz zum Körper war es deutlichergezeichnet, und aus dem Umrissen war für mich etwas abzulesen.
    Ich kannte das Gesicht!
    Ich kannte den Engel!
    Und ich merkte, wie sich etwas in meinem Magen zusammenzog.
    Das Mädchen Julie Wilson hatte den Lügenengel Belial gezeichnet!
    ***
    Mit dieser Überraschung hätte ich niemals gerechnet. Deshalb saß ich starr auf meinem Stuhl und war sehr schweigsam geworden, was auch Sina Franklin auffiel.
    Sie schaute mich an. Ich sah sie, aberich blickte zugleich durch sie hindurch. Meine Gedanken drehten sich um Belial, den Lügenengel, der immer wieder mal erschien, um sein gottloses Werk unter den Menschen zu verbretten Er lebte von der Lüge der Menschen. Er liebte sie. Er wollte die Menschen dahin bringen, nur zu lügen. Erst wenn das geschafft war, atmete er auf.
    »Mr. Sinclair, was ist mit Ihnen? Sie sehen nicht eben aus, als ginge es Ihnen gut.«
    Ich lächelte. »Doch, doch, Mrs. Franklin. Sie brauchen sich keine Sorgen um mich zu machen.« Ich tippte auf die letzte Zeichnung. »Sie ist wirklich erschreckend.«
    »Hat Sie das so aus der Fassung gebracht?«
    »Nein, nicht nur.« Ich hob die Schultern. »Sie werden mich möglicherweise auslachen, aber ich habe den Eindruck, dass ich den Engel kenne. Das heißt, er ist mir nicht unbekannt.«
    Sina Franklin blieb vor Staunen der Mund offen. »Sie haben kennen gesagt, Mr. Sinclair?«
    »Genau.«
    Noch immer konnte sie mir nicht glauben. »Sie - äh - kennen wirklich Engel?«
    »Ja.«
    »Das ist verrückt. So etwas hat mir noch niemand gesagt. Das kann ich nicht begreifen. Die meisten Menschen glauben nicht an Engel. Ich will nicht behaupten, dass sie ihnen egal sind, sie haben schon immer eine große Faszination ausgeübt, aber so deutlich wie Sie hat mir dies noch niemand gesagt. Das habe ich auch noch nirgendwo anders gehört.«
    »Dabei sollten wir es auch belassen«, schlug ich vor.
    »Warum?«
    »Weil es möglicherweise zu kompliziert ist. Bitte, das dürfen Sie nicht persönlich nehmen, aber es gibt Dinge, die man am besten zurückstellt. Sie sind rational nur schwer erklärbar. Wenn überhaupt…«
    Sina Franklin lächelte mich etwas schief an. »Ich weiß auch jetzt noch nicht genau, wer Sie sind, Mr. Sinclair. Purdy hat mir von einem Mann berichtet, der sich um besondere Aufgaben kümmert. Mehr will ich auch nicht fragen, aber dass Sie Engel kennen, hat mich schon erstaunt. Nicht nur allgemein die Engel. Mir kam es vor, als wäre Ihnen genau dieser bekannt.«
    »Das stimmt sogar. Auch wenn ich mir nicht hundertprozentig sicher bin, weil die letzte Zeichnung doch ein wenig verzerrt wirkt. Aber ich denke schon, dass wir es hier mit einem Engel namens Belial zu tun haben. Einem sehr mächtigen Engel, dem Engel der Lügen. Aber das sollten Sie zunächst vergessen, Sina.«
    Sie war geschockt und suchte nach Worten.

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