1273 - Poker mit dem Tod
wurde.
O'Brian sprach in ein Funkgerät. Jeder seiner Leute hörte seine Anweisungen. Er sprach davon, was in den folgenden Sekunden passieren würde.
Wir mussten noch warten. Wir beobachteten die beiden Fenster, und ich spürte in meinem Innern das leichte Vibrieren, das, sich immer dann einstellte, wenn eine Situation besonders brisant wurde.
Damit konnte ich hier auch rechnen.
»Sie können«, sagte O'Brian.
Der letzte Blick zu den Fenstern. Nein, da bewegte sich noch immer nichts. Und wenn sich der Amokschütze zeigen würde, stand er genau im Zielbereich der Gewehre, die auf ihn gerichtet waren.
Es gab für ihn keine Chance…
»Jetzt!« sagte ich.
Beide starteten wir in der gleichen Sekunde. Wir blieben nicht dicht beisammen, sondern ließen eine gewisse Distanz zwischen uns, denn so boten wir kein kompaktes Ziel.
Kein Schuss fiel. Das Einzige, was wir hörten, war der Wind, der uns beim Laufen gegen die Gesichter schlug. Die pockennarbige Hauswand rückte näher, denn überall war der Putz abgefallen, und es hatte sich niemand die Mühe gemacht, die Fassade zu renovieren.
Auch die Haustür sah aus, als müsste sie ausgetauscht werden, aber sie stand zumindest offen. Mit einem letzten Sprung erreichten wir den Flur, in dem wir nicht allein waren, denn ein Kollege, der einen Helm und eine schusssichere Weste trug, nickte uns zu.
Durch seinen Chef O'Brian wusste er Bescheid. Ich fragte: »Gibt es irgendwelche Veränderungen?«
»Nein. Er ist noch oben. Zumindest kam niemand die Treppe herunter.«
»Sehr gut.«
»Aber geben Sie Acht, wenn Sie hoch gehen. Bisher ist auch nicht sicher, ob er sich eine Geisel genommen hat, die er dann als letzten Trumpf einsetzen will.«
»Danke.«
»Es sind noch einige Kollegen oben. Wir hätten seine Bude bestimmt schon gestürmt, aber O'Brian hat uns zurückgehalten. Nun ja, vielleicht packen Sie es.«
Überzeugt war er davon nicht, das sahen wir seinem Blick an, mit dem er uns betrachtete und sicherlich daran dachte, dass wir keine schusssicheren Westen trugen.
Die Treppe sah so aus wie das gesamte Haus. Ziemlich mitgenommen, und das Geländer konnte uns kein großes Vertrauen einflößen. Mochte hier im Haus auch Terror geherrscht haben, der war jetzt vorbei, denn wir empfanden es schon als beklemmend still. Sicher, die Bewohner waren geflohen, aber es hatte sich auch etwas anderes ausgebreitet, das nur schwer zu beschreiben war. Es klebte zwischen den Gerüchen, die man nicht eben als wohltuende Düfte bezeichnen konnte. Hier war seit langer Zeit nicht mehr gereinigt worden, und an manchen Stellen hatte es auch niemand für nötig gehalten, irgendwelchen Abfall zu entfernen.
In der ersten Etage hielt der zweite Kollege Wache. Er stand an der Wand und schaute die Treppe hoch. Als er uns hörte, drehte er sich um. Auf seinem schweißfeuchten Gesicht zeigte sich ein Grinsen. »Nichts. Unser Freund rührt sich nicht.«
»Wunderbar.«
Wir wollten an ihm vorbei, aber er hatte uns noch etwas zu sagen. »Ich habe mal einen erlebt, der hat sich umgebracht, als er merkte, dass er mit seiner Scheiße keinen Erfolg erreicht hat. Wäre nicht schlecht, wenn das hier auch der Fall wäre. Damit hätten wir ein großes Problem vom Hals.«
Wir gingen auf seine Bemerkung nicht ein. Suko fragte stattdessen: »Haben Sie denn etwas von ihm gehört?«
»Nein. Er ist stumm wie ein Fisch. Er hat auch nichts mehr vom Teufel geschrieen oder so.« Er grinste wieder. »Aber da sind Sie ja die Experten.«
»Sie sagen es«, erwiderte Suko und ging als Erster los.
Ohne Zwischenfall erreichten wir die zweite Etage. Dort sahen wir zwei Kollegen, die Wache hielten. Drei Türen mussten wir im Blickfeld behalten, denn so viele Eingänge gab es hier.
Auf den ersten Blick schon stellten wir fest, dass die Türen geschlossen waren.
»Hinter welcher Tür steckt er?« fragte ich leise.
Einer wies auf die mittlere Tür.
»Ist sie abgeschlossen?«
»Nein.«
»Oh. Woher wissen Sie das?«
»Wir haben es ausprobiert, aber wir trauten uns nicht, die Wohnung zu betreten. Es ist sowieso alles recht seltsam hier.«
»Können Sie das genauer erklären?«
»Nein, aber wir haben Routine. Es ist nicht unser erster Einsatz.« Er zuckte mit den Schultern. »Das haben wir auch noch nicht erlebt. Normalerweise hätten wir die Wohnung gestürmt, aber…«
»Ich weiß«, fiel ich ihm ins Wort. »Sie mussten erst auf uns warten, was Ihnen nicht gefällt.«
Er erwiderte nichts, senkte den Kopf, und ich
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