1273 - Poker mit dem Tod
zog meine Beretta. Suko hielt seine Waffe bereits in der Hand.
Die Männer vom Einsatzkommando beobachteten uns mit misstrauischen Blicken. Den Job hätten sie bestimmt gern selbst gemacht, aber Befehl ist Befehl.
Ob für uns dabei etwas herauskommen würde, war ebenfalls fraglich. Bisher stützte sich unser Einsatz nur auf einen vagen Verdacht.
Suko legte seine Hand um die graue Klinke. Er würde vor mir die Wohnung stürmen, während ich ihm Rückendeckung geben würde.
Ein kurzer Blick zurück. »Alles klar?«
»Sicher.«
Es war ein Risiko. Wenn der Amokläufer genau in dem Augenblick durchdrehte, dann sah es böse aus. Komischerweise hatten wir beide nicht den Eindruck, dass dies passieren würde. Das sagte einfach unser Gefühl. Hier lebte kein durchgeknallter Typ, der alle Welt hasste und vernichten wollte. Er hatte zwar aus dem Fenster geschossen, sich gleichzeitig aber durch seine Kommentare offenbart. Das tat kein Mensch, der einfach nur durchdrehte.
Suko stieß die Tür auf. Hinter mir standen noch die beiden Kollegen, um eingreifen zu können.
Suko huschte als Erster in die Wohnung. Es gab keinen kleinen Flur, von dem irgendwelche Zimmer abzweigten. Mit dem ersten Schritt schon hatten wir die Wohnung betreten. Das heißt, Suko huschte nach links weg in den Raum hinein, aus dem wir nicht angegriffen wurden, und ich tat einige Sekunden später das Gleiche an der rechten Seite.
Wir richteten die Mündungen unserer Waffen nach vorn - und zugleich ins Leere hinein.
Kein Mensch hielt sich hier auf. Dafür sahen wir das Fenster mit der zerstörten Scheibe und eine Einrichtung vor uns, bei der sogar ein Trödler Bedenken gehabt hätte, sie zu kaufen. Die war so was von alt und brüchig, dass wir nur die Köpfe schütteln konnten, aber sie war auch uninteressant für uns. Ganz im Gegensatz zu der Tür, die in ein zweites Zimmer führte und die offen war.
Der leichte Durchzug meldete uns, dass auch in dem zweiten Raum das Fenster nicht geschlossen war. Suko drehte sich schon nach links, während ich mich umwandte und den beiden Männern Bescheid gab, die vom Flur her in den Raum hineinzielten.
Ich wollte etwas sagen, als ich Sukos Stimme hörte. »Entwarnung, John, du kannst Entwarnung geben. Ich habe alles unter Kontrolle. Sag das den Leuten.«
»Haben Sie gehört?« fragte ich.
Sie hatten es. Ich erklärte ihnen noch, dass sie O'Brian anrufen sollten, dann ging ich zu meinem Freund und Kollegen, dessen Stimmenklang mich hatte aufmerksam werden lassen. Ich kannte Suko, ich wusste auch, wie er sprach, aber was er da gesagt und vor allen Dingen wie er es gesagt hatte, kam mir schon leicht komisch vor.
Er wartete auf mich im Nebenraum.
Auch hier hätte ein Trödler Probleme gehabt, das Zeug loszuwerden, doch so etwas war für mich im Moment zweitrangig. Es gab wichtigere Dinge, und die besaßen den Namen Julius Cameron.
Der Mann hockte auf einem alten Feldbett und stöhnte leise vor sich hin. Er hatte den Rücken gegen das Kopfgestell gedrückt und über seine Beine eine Decke gelegt. Aus seinem Mund drangen leise Schmerzlaute. Das Gewehr entdeckte ich beim zweiten Hinsehen. Es lag unter dem Bett und schaute nur mit seiner Mündung hervor.
Cameron sah alt aus. Und auch grau. Wie mit einem Betonpulver gepudert. Sein Haar war nicht gekämmt. Es umgab lang und strähnig seinen Kopf. Er hockte im Bett. Er seufzte. Schweiß rann über sein Gesicht, und auch seine behaarte Brust glänzte nass. Sein Hemd war fast bis zum letzten Knopf geöffnet. Auch um den Mund herum verteilten sich die grauen Schatten, die allerdings bestanden aus struppigen Barthaaren.
»Was hat er?«, fragte ich.
Suko konnte mir keine klare Antwort geben. »Ich kann es dir nicht sagen, John. Jedenfalls hat er nicht versucht, mich anzugreifen.«
»Aber das ist ungewöhnlich.«
»Er hat Angst.«
Das stimmte. Cameron saß auf dem Bett und aus wie ein Häufchen Elend. Er atmete hektisch durch den offenen Mund. Seine Augen bewegten sich ebenfalls. Sie schauten mal Suko an, dann auch mich, aber er traf keine Anstalten, etwas zu sagen.
Ich ging noch näher an das Bett heran. Jetzt war der Schweiß zu riechen und auch der Muff aus seinen Klamotten. Mir fiel auf, dass er mit der linken Hand den Rand der Decke krampfhaft festhielt, die seinen Unterkörper abdeckte. Die Geste sah aus, als hätte er etwas zu verbergen.
»Julius Cameron?«
Er nickte.
»Wir sind von Scotland Yard und sind eigentlich hier, um Ihnen zu helfen. Ich sehe, dass
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