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1274 - Der Wolf und das Mädchen

1274 - Der Wolf und das Mädchen

Titel: 1274 - Der Wolf und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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jetzt war alles anders.
    Der Wolf biss mit seinen mörderischen Zähnen nicht zu, sondern zerrte Caroline, ohne sie zu verletzen über das Bett hinweg auf das Fußende zu.
    Mit den Hinterläufen zuerst berührte der weiße Wolf wieder den Boden. Caro hatte er nicht losgelassen. Sie kletterte aus dem Bett, dann löste sich die Schnauze von ihrem Arm, um einen Moment später leicht an der rechten Hüfte zuzufassen.
    Und so ging er zum Fenster!
    Vorbei an der auf dem Teppich hockenden Großmutter, die alles sah, jedoch nicht in der Lage war, etwas zu unternehmen oder auch nur klar zu denken.
    Wenn sie so weitergingen, würden sie durch das zerstörte Fenster nach draußen verschwinden. Sie dachte an das Glas auf dem Boden, aber wie von der Hand eines Engels geführt, trat Caroline in keinen Splitter hinein, sondern umging jeden mit einer sicheren Bewegung.
    Bevor sie den Raum verließ, drehte sich Caro nicht einmal um. Nur ihren Kopf wandte sie der Großmutter zu.
    Beide schauten sich an.
    Endlich fand auch Gloria ihre Sprache wieder. »Kind… Kind… was tust du dir an?«
    »Ich muss mit…«
    »Und wohin?«
    »Ich weiß es nicht…«
    Es waren die letzten Worte, die Gloria von ihrer Enkelin hörte. Der Wolf löste seine Schnauze von Caros Hüfte und gab ihr einen leichten Stoß.
    Das Mädchen begriff. Ein hoher und zugleich langer Schritt nach vorn, und Caro verließ das Haus.
    Gloria sah sie und das Tier noch wie zwei sich bewegende helle Schatten von unterschiedlicher Gestalt, dann wurden sie vom Dunkel der Nacht verschluckt…
    ***
    Gloria Crane wusste nicht, was sie denken sollte oder ob es ihr überhaupt möglich war. Sie hatte in der Realität etwas erlebt, das mehr in ein Märchen gepasst hätte, doch leider war dies nicht der Fall gewesen, und sie musste sich an die Tatsachen gewöhnen.
    Erst jetzt spürte sie den Schmerz in ihrem linken Handballen. Er war wie ein scharfer Strahl, der sich bis zum Handgelenk hinzog und sie wieder zurück in die Realität brachte, und die sah wahrlich nicht gut aus.
    Sie wollte es nicht glauben. Leer war das Bett. Ebenso leer wie ihr Blick. Es gab nichts daran zu rütteln. Ein Wolf war in das Zimmer hineingesprungen und hatte tatsächlich ihre Enkelin entführt.
    Er hatte zugebissen, jedoch nicht getötet. Es war kein Blut geflossen. Sie hatte keine Schreie gehört.
    Wenn sie sich recht erinnerte, dann war Caroline beinahe freiwillig mit dem Tier gegangen.
    »Tier«, flüsterte Gloria vor sich hin und schaute dabei auf den Blutfleck auf dem Teppich. Es war ein Tier, ein Wolf gewesen. Sogar ein weißer Wolf. Da hatten sich die Zeugen nicht getäuscht. Einer wie er war sehr selten, und sie musste sich eingestehen, dass sie ein schönes Tier gesehen hatte.
    Ein Lebewesen voller Ästhetik. Ein Wunder der Natur.
    Und ich lebe!, dachte sie. Ich lebe. Der Wolf hat mir nichts getan. Er hätte mich auch zerfleischen können, aber das hat er nicht getan. Warum nicht?
    Sie konnte sich keine Antwort darauf geben. Das war nicht möglich, weil sie sich nicht in dieses Tier hineinversetzen konnte, in sein Tun, in seine Seele, falls es die gab. Es hatte sich anders verhalten, als es normal gewesen wäre, wenn sie an die Toten dachte, die im Wald gefunden worden waren.
    Wenn sie ein Fazit zog, und das tat sie jetzt, dann gelangte sie zu dem Schluss, dass nicht nur ihre Enkelin Glück gehabt hatte, sondern auch sie selbst.
    Glück…
    Der nächste Gedanke strömte in ihr hoch. Konnte man da wirklich von Glück sprechen? War es Glück, was sie da erlebt hatte? Oder gehörte es gewissermaßen zu einem Plan und zu einem Kalkül der anderen Seite, dass sie so reagiert hatte. Da konnte ein Plan dahinterstecken, ein gefährlicher, ein raffinierter, dem noch einige Menschen zum Opfer fallen konnten. Das war durchaus möglich.
    Man musste nur seine Gedanken von der üblichen Schiene lösen, was die Frau auch tat.
    Der Wolf hatte sich nicht wie ein normales Tier verhalten. Er war anders gewesen, und Gloria suchte nach der entsprechenden Beschreibung. Er war menschlicher gewesen.
    Beinahe hätte sie bei dem Gedanken gelacht, aber das Lachen blieb ihr im Hals stecken. Wenn sie genauer nachdachte, kam das schon hin.
    Menschen handelten nach einem genauen Plan. Das Tier war in das Zimmer eingedrungen und hatte sich das Kind geholt. Nein, das war so nicht richtig. Wenn sich Gloria die Szene noch mal abrief, da hatte es jetzt für sie den Anschein, als wäre Caroline fast freiwillig mit dem Eindringling

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