1283 - Der Mörder-Mönch
hätte sie kurz vor ihrem Ende noch einen letzten Schrei ausstoßen wollen.
Es war ein Gesicht, das Angst einflößen konnte. Auch mich ließ der Anblick nicht kalt, obwohl ich schon oft genug damit konfrontiert worden war.
Mit der linken Hand hob ich den Kopf der Toten etwas an. Er kam mir so leicht vor. Als läge ein Stoffball auf meiner Handfläche. Ich drehte den Kopf etwas herum, damit die linke Seite frei lag.
Ich sah sie jetzt aus der Nähe. Auf der leichenblassen Haut zeichnete sich tatsächlich sehr dunkel die Fratze des Baphomet ab. Das war nicht alles, was mir auffiel. Die dunklen Ringe oder Streifen um ihren Hals ließen darauf schließen, dass auch dort etwas passiert war. Möglicherweise sogar das Entscheidende.
Es war totenstill geworden, und in diese Stille hinein klang meine Frage. »Was bedeuten die Streifen am Hals?«
Keine der Nonnen gab eine Antwort, und auch Anna hielt den Mund geschlossen.
Gerade auf sie konzentrierte ich mich. »Es wäre besser für dich, wenn du redest.« Mit der freien Hand zog ich meine Beretta. »Auch sie ist ein Argument.«
»Ihr werdet hier nicht mehr lebend rauskommen!«, fauchte mich die Oberin an.
»Das lass mal unsere Sache sein!«
»Baphomet ist stärker!«, schrie sie mich an. Es war das Rufen im Walde. Sie hatte Angst, und sie wollte sich irgendwie Luft verschaffen. Angreifen würde sie mich nicht, damit hätte sie sich nur selbst geschadet, aber sie hatte eben ihren Frust loswerden müssen, bevor sie ganz zusammenbrach.
Ich ließ die Hand mit dem Kreuz sinken. Die Richtung stand fest. Ich wollte meinen Talisman genau mit der Stelle im Gesicht zusammenbringen, an der Baphomet sein Zeichen hinterlassen hatte. Jeder sollte erkennen, dass die Tote ihm gehörte und höchstwahrscheinlich auch deren Seele.
Kreuz und Wange trafen zusammen.
Kein Schrei, aber ein Zucken des leblosen Körpers, als wäre er von den Stößen eines Defibrillators getroffen worden.
Mit dieser Reaktion hatte selbst ich nicht gerechnet. Der Körper schnellte urplötzlich so hoch, dass mir der Kopf aus der Hand rutschte und ich es auch im Nachfassen nicht mehr schaffte, ihn zu halten.
Schwer schlug er auf den hölzernen Tisch.
Ich schaute nach unten, um die Wange genauer zu sehen. Es hatte sich noch nichts getan, was sich allerdings Sekunden später änderte, denn da zog sich die Haut zusammen, und es sah so aus, als würde sich die Fratze bewegen. Sie war sowieso schon schaurig genug gewesen. Jetzt sah es für mich so aus, als würde der Dämon Baphomet mich angrinsen, um mir zu bedeuten, dass ich verloren hatte.
Das Gegenteil davon stimmte. Nicht ich hatte verloren, sondern er, denn nicht nur seine Fratze wurde zerstört, sondern auch das Gesicht der Toten. Es begann allerdings an der Fratze, und ich sprang zurück, als ich die ersten kleinen Flammen aus der Haut springen sah. Sie waren wie dünne Finger und huschten im Nu über das Gesicht hinweg, wobei sie keine Stelle ausließen und sich blitzartig bis zu den Haaren hoch arbeiteten, die zersprühten wie das Material von Wunderkerzen.
Trotz allem war es kein normales Feuer. Dunkle Flammen, beinahe schon schwarz, dazu mit einem tiefen Rot durchzogen. Es gab keinen Rauch, da wurde nichts abgesondert, so dass wir auch nichts rochen. Der Kopf verbrannte durch das magische Feuer von innen, aber der Schädel brach nicht zusammen, obwohl er keinen Halt mehr haben konnte. Nur die Haut wurde regelrecht abgefressen, so dass mir ein Blick in das Innere gelang, in dem es glühte wie im Auge eines Zyklopen.
Der Körper blieb normal. Er hatte wirklich nur den Kopf erwischt, und der blieb vor uns wie ein schwarzgraues Gebilde liegen. Mit offenen Augenhöhlen, denn auch dort war alles verbrannt. Und selbst der Mund hatte sich nicht geschlossen. So schaurig die Tote auch aussah, sie hatte zumindest den Frieden der Seele zurückbekommen.
Ich trat etwas zur Seite und richtete mich auf, um alle Anwesenden sehen zu können. Niemand der Nonnen sagte etwas. Selbst die Oberin brachte kein Wort mehr hervor. Sie starrte zu Boden, als könnte sie dort die Lösung entdecken, aber das stimmte auch nicht. Wir hatten ihr den Boden unter den Füßen weggezogen.
Es war auf einmal so still geworden. In einem tiefen nächtlichen Wald hätte es kaum anders sein können, und niemand traute sich, die Stille zu durchbrechen.
Als stumme Zeugen standen die zahlreichen Bücher um uns herum. Meine Stimme unterbrach das Schweigen. »Ich denke, dass wir uns jetzt in
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