1283 - Der Mörder-Mönch
elektrisierte uns, obwohl er eigentlich nicht so überraschend war.
»Baphomet!«
***
Wir sagten nichts, schauten uns nur an, nickten dann und lächelten sogar kurz. Wir waren hier genau richtig. Hier hatten sich Menschen zusammengefunden, um dem Dämon mit den Karfunkelaugen zu dienen.
Und dann konnte unser Freund Vincent van Akkeren nicht weit sein. Denn der sah sich als legitimer Vertreter des Dämons an. Wahrscheinlich war er so irre geworden, dass er selbst nicht mehr wusste, was er eigentlich war. Mensch oder Dämon.
Aber er war zurückgekehrt und war dabei, neue Gebiete zu erobern oder sich an alte zu erinnern, in denen hunderte Jahre zuvor schon die Templer ihre Zeichen gesetzt hatten.
Wir warteten noch einige Sekunden ab und hörten zu. Es gab nur den einen Namen, den sie schrien.
Mal lauter, mal leiser, aber stets voller Inbrunst, als gäbe es nichts anderes als diesen verfluchten und wahnsinnigen Teufel.
Baphomet war ihr Herr, ihr Mentor. Der alte, böse Geist der hier von den Templern hinterlassen worden war, steckte noch immer in den Mauern. Lange Zeit war nichts geschehen, aber jetzt hatte man ihn wieder hervorgeholt und die Nonnen infiziert.
Suko öffnete die Tür so weit, dass wir beide durch den Spalt schauen konnten. Beide wurden wir überrascht. Wir hatten mit vielem gerechnet, nur nicht mit einem Kellerraum, der als Bibliothek eingerichtet war. An den Wänden standen mit Büchern gefüllte Regale wie auch hinter den Glastüren zweier Schränke.
Aber in diesem Fall waren sie nur Nebensache. Das Licht der trüben Lampe zeigte uns auch den wahren Mittelpunkt dieser Bibliothek. Es war ein alter Tisch mit einer dicken Platte. Mochte das Holz noch so wurmstichig und faul sein, es war jedenfalls noch stark genug, um die Person aufzunehmen, die rücklings auf dem Tisch lag und ein weißes Kleid trug, das mehr einem Leichenhemd glich.
Fünf Nonnen gab es. Fünf Nonnen, die lebten. Die sechste lag starr auf dem Tisch. Genau das musste diese Esmeralda sein, von der Anna gesprochen hatte.
Lustig sah es nicht aus, wie die schwarz gekleideten Frauen um den Tisch tanzten. Es gab keine junge Person unter ihnen. Sie alle hätten im normalen Berufsleben schon in Pension gehen müssen, nur war es schon verwunderlich, mit welch einer Inbrunst sie um den Tisch herum tanzten.
Da waren sie nicht mehr zu halten. Sie schrien, sie bewegten ihre Arme zuckend in die Höhe. Ihre Gesichter waren nicht nur verzerrt, sondern auch verschwitzt. Ihr Atem fegte laut aus den Mündern. Immer wieder brüllten sie dabei den Namen des Dämons Baphomet.
Er ließ sich nicht blicken. Die verrückten Nonnen tanzten aber weiter, denn das gehörte wohl zum Ritual.
Wahrscheinlich wollten sie sicher sein, dass der Dämon das Opfer auch annahm.
Ich hätte mir gern die auf dem Tisch liegende Tote näher angesehen. Das war leider nicht möglich, denn immer wieder nahmen mir die tanzenden Nonnen die Sicht. Manchmal schlugen sie auch gegen die Leiche, als wollten sie sich auf diese Art und Weise verabschieden.
Ich hatte nach meinem Kreuz gefühlt und keine Erwärmung festgestellt. Baphomet selbst hielt sich also nicht in der Nähe auf. Es war auch nicht nötig. Er hatte ja seine Helferinnen, die ihren Totentanz plötzlich unterbrachen.
Es sah für uns so aus, als wäre ein Film angehalten worden. Sie standen aus den Bewegungen heraus still. Sie mussten sich zuerst erholen. Sie waren erschöpft. Einige rangen nur nach Luft. Anna aber stützte sich am Tisch ab, denn sie hatten sich wirklich verausgabt.
Wir waren noch nicht entdeckt worden, und keine der Frauen schaute zur Tür hin, und so gab es für uns keinen Grund, den Raum zu betreten.
Schneller als erwartet hatten sich die fünf Nonnen wieder erholt. Sie blieben vor dem Tisch stehen, hielten die Köpfe gesenkt und schauten auf die Tote, der das gelbliche Licht einen großen Teil Hautblässe nahm. Man hatte dieser Esmeralda die Augen nicht geschlossen. So sah sie fast aus wie eine schlafende Person, die nur daran Interesse zeigte, gegen eine Decke zu starren.
Die Oberin hatte zu uns von einer Beerdigung gesprochen. Ich war gespannt, wie sie ablaufen würde.
Hier musste sich etwas tun, und deshalb blieben wir zunächst mal Zeugen.
Die alte Anna hatte sich als Erste wieder gefasst. Sie rang nach Luft, aber sie lachte auch und deutete mit ihrem ausgestreckten rechten Zeigefinger auf die Liegende.
»Sie hat den Weg gefunden!«, erklärte sie. »Unsere Schwester hat es geschafft
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