1288 - Das unheimliche Mädchen
erneut. »Wie stehst du zu mir?«
Sie bewegte ihren Mund. Die Winkel zeigten nach unten. Die Antwort zischte sie hervor. »Du wirst brennen. Ich will es so. Ich will, dass du brennst. Ich bin sie. Ich will dich in Flammen sehen, verflucht noch mal!«
Da hatte nicht sie gesprochen, sondern ihre Mutter. Eine raue und böse klingende Stimme, als wäre sie durch das Feuer eingeschwärzt worden. Eine Frau, die sich Uriel als ihren Gott ausgesucht hatte und so werden wollte wie er. Sie hatte es nicht ganz geschafft, aber sie war den Weg ein Stück weit gegangen, und aus irgendeiner Welt hervor, dem Jenseits meinetwegen, hatte sie es geschafft, indirekt an ihr Ziel zu gelangen.
»Nein, Gabriela. Ich hasse dich nicht. Ich will nichts von dir. Ich will dich retten!«
Sie gab mir die Antwort auf ihre Art und Weise. Sie sprach nicht, sondern sie schickte das Feuer…
***
Es geschah so schnell, dass ich davon überrascht wurde. Es puffte zwischen uns hoch, und im Nu hatte sich die heiße, zuckende Flammenwand gebildet, hinter der Gabriela verschwunden war. Ich sah sie nur als Schatten, aber ich hörte sie lachen und jubeln zugleich und musste mit ansehen, wie sich die Feuerwand veränderte. Sie zog sich zusammen, und sie verlor innerhalb kürzester Zeit an Breite, um das genaue Gegenteil davon anzunehmen.
Im nächsten Moment hatte sie sich in eine züngelnde Schnur verwandelt, die auf dem Kahnboden tanzte und dann auf mich zuraste, um mich in Brand zu stecken.
Meine rechte Hand war bereits in der Tasche verschwunden, in der das Kreuz steckte. Im richtigen Moment riss ich es hervor und spürte auch die heiße Stelle an seinem unteren Ende.
Die Flammenschnur war da. Ich hielt ihr das Kreuz entgegen.
Es war meine einzige Chance. Ich hätte mich auch ins Wasser werfen können, aber das wollte ich nicht, weil mir auch Gabriela wichtig war.
Das Feuer traf.
Aber nicht mich. Als wäre mein Kreuz ein Magnet, so wurde die Flammenspur von ihm angezogen.
Ich hielt es in der Hand und war auch bereit, es fallen zu lassen, wenn ich verbrannt werden sollte.
Das brauchte ich nicht, denn mein Kreuz bekämpfte Feuer mit Feuer.
Das U glühte noch stärker auf. Plötzlich zerplatzte die Flammenspur vor meinen Augen, und ein regelrechter Ball stieg in die Höhe, von dessen Rändern Funken wegflogen.
Ich war geschützt. Nicht aber Gabriela. Sie konnte sich auf kein Kreuz verlassen, das die Flammen wie ein Spiegel das Licht zurückschleuderte und sich ein neues Ziel ausgesucht hatte.
Gabriela kam nicht weg. Auf ihrem Platz sitzend, brannte sie innerhalb einer Sekunde lichterloh!
Genau das hatte ich nicht gewollt. Ich konnte und durfte keine Sekunde zögern, wenn ich Gabriela retten wollte. Von meiner schmalen Sitzbank schoss ich in die Höhe und warf mich auf die junge Frau zu.
In dieser einen Sekunde nahm ich all den Schrecken auf, der mir präsentiert wurde. Gabriela saß bewegungslos auf ihrem Platz und wurde von einem Mantel aus Feuer umhüllt, dessen Flammen sich hektisch bewegten, um nur ja jeden Ort unter Kontrolle zu bekommen, den es gab.
Sie schrie nicht mal. Wahrscheinlich war sie zu sehr überrascht worden. Sie hatte immer gedacht, dass ihr das Feuer nichts anhaben könnte, und deshalb sah ich sie auch wie eine Figur auf der Bank hocken.
Dann prallte ich gegen sie! Ich hatte meine Arme nach vorn gestreckt, weil ich nur eine Chance sah.
Ich rammte sie über Bord.
Zuerst klatschte Gabriela in das trübe Wasser, dann folgte ich ihr, und beide sanken wir sofort nach unten. Das Wasser war kalt, die Kleidung saugte sich voll. Sie wurde schwer und zerrte uns beide noch stärker dem Grund entgegen.
Tief war der Teich nicht. Ich würde darin stehen können, aber der Grund war alles andere als fest. Wir drangen in eine schlammige und weiche Masse ein, die wir aufwühlten, und plötzlich waren wir von einer tiefen Dunkelheit umgeben.
Ich hatte vor meinem Abtauchen noch Luft holen können. Ich hielt Gabriela fest und lag dabei praktisch auf ihr.
Sie brannte nicht mehr! Das Wasser hatte das Feuer tatsächlich gelöscht. Das war nicht so sicher gewesen, denn die Nonne hatte von einem Höllenfeuer gesprochen, aber in diesem Fall stimmte es nicht. Es waren normale Flammen gewesen, wenn auch kontrolliert angefacht, um sich auf bestimmte Ziele konzentrieren zu können.
Die Dunkelheit um uns herum war so dicht, dass ich nicht mal Gabrielas Gesicht sehen konnte. Ich spürte nur ihren Körper, der gegen meinen drückte.
Noch lagen
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