1289 - Desteros Söhne
Schultern. »Es gibt nur die Alternative, dass er umgebracht wurde, Mutter. Ermordet. Ja, mein Vater und dein Mann ist ermordet worden.«
Beinahe hätte Ellen gelacht. Im letzten Augenblick hielt sie sich zurück. »Aber das ist Wahnsinn, Junge. Verrückt. Völlig aus der Luft gegriffen. Wer sollte ihn denn ermordet haben?«
»Ich weiß es nicht. Beweise habe ich nicht.«
»Komm, dann hast du es hinter dir.«
Seine Mutter hatte Recht. Dave wollte den Vater noch mal sehen, obwohl er den starren und leblosen Körper bereits betrachtet hatte. Nur einen kurzen Blick, aber der hatte ihm gereicht. Er war völlig erschreckt worden. So musste er sich innerlich auf das Bild einstellen, das ihn erwartete.
Mit langsamen Schritten ging er auf die Tür zu. Er hielt den Kopf gesenkt. Als er an seiner Mutter vorbeiging, nahm er den Geruch ihres Parfüms wahr. Sie roch wie immer sehr frisch. Darauf hatte sie also nicht verzichtet.
Sie betraten den kleinen Flur, von dem die anderen Zimmer der Wohnung abgingen. Das Bad, die Küche, die beiden kleinen Schlafräume und auch das Wohnzimmer, der größte Raum von allen.
»Kommst du mit, Mutter?«
»Wenn du willst, ja.«
»Nein, nein, ist schon gut. Ich denke, dass ich alt genug bin, um das verkraften zu können.« Er deutete auf seine Brust. »Ich habe mich innerlich darauf einstellen können.«
»Ja, das musst du auch.«
Für Dave war das Gespräch beendet. Er holte noch mal tief Luft, dann betrat er das Totenzimmer…
Dave rechnete damit, von Totengeruch empfangen zu werden. Er machte sich keine Vorstellung davon, wie der Tote riechen könnte, aber irgendwie wollte das nicht aus seinem Kopf.
Wie immer knarrte die Tür etwas. Es war völlig normal und erinnerte den Jungen an das Leben, das nun hinter seinem Vater lag. Draußen war es längst hell geworden, doch Ellen Norris hatte das Rollo vor das Fenster gezogen, aber es nicht völlig geschlossen, sodass durch die Lücken genügend Licht fiel und sich im Zimmer verteilte. Der Boden hatte ein Muster aus hellen Streifen bekommen.
Es roch sogar frisch. Auch leicht nach dem Parfüm seiner Mutter. Dave fand es hier besonders unpassend, leider konnte er nichts daran ändern und näherte sich auf Zehenspitzen dem Bett, in dem sein Vater auf dem Rücken lag und sein Gesicht der Decke entgegengerichtet hatte, obwohl er nichts sah, weil Ellen ihm die Augen geschlossen hatte.
Dave musste wieder weinen. Als er neben dem Bett stehen blieb, rannen die Tränen bereits an seinen Wangen entlang.
Beim flüchtigen Hinschauen hätte er meinen können, dass sich sein Vater hingelegt hatte, um zu schlafen. Aber so war es nicht. Es gab keine Bewegung mehr in dem Gesicht seines Erzeugers. Es war und blieb starr. Es war eine Maske des Todes. Das Leben lag hinter ihm. Wenn es stimmte, dass nichts verloren ging, befand sich seine Seele jetzt in einer anderen Welt. Irgendwo in der Ewigkeit.
Möglicherweise bei Gott, und da fragte er sich in diesen Augenblicken, ob es ihn überhaupt gab. Warum war er so brutal und riss einen Mann aus der Blüte seines Lebens?
Das Gesicht sah so verändert aus. Dabei hatte es nicht mal einen anderen Ausdruck angenommen.
Man hätte auch meinen können, dass sich der Mann nur zum Schlafen hingelegt hatte, doch das stimmte nicht. Er war tot, und sein Mund stand auf eine für Dave schreckliche Art und Weise offen.
Wie das Maul eines Fisches, den man an Land geworfen hatte, und der nun verzweifelt versuchte, nach Luft zu schnappen.
So starr. Grauenhaft, wenn er daran dachte, dass dieser Mann gestern noch gelebt hatte und sein Vater gewesen war.
Man hätte ihm den Mund schließen sollen!, dachte Dave. Aber auch er traute sich nicht, dies zu tun.
Er fürchtete sich davor, den Toten zu berühren.
Die dunklen Bartschatten, die sich auf seinem Gesicht abzeichneten, waren jetzt zu Schatten des Todes geworden. Sie verloren sich in Höhe der Augen, die nun die Freude und auch das Leid auf der Welt nicht mehr sehen konnten.
Daves Beine begannen zu zittern. Hinter seiner Stirn spürte er einen Druck und zugleich ein Pochen.
Er hatte zudem den Eindruck, wegfliegen zu müssen, aber er hielt sich noch auf den Beinen. Er riss sich zusammen.
Ohne dass es ihm richtig bewusst wurde, drehte er seinen Körper zur Seite und nahm auf der Bettkante Platz. Er fühlte sich in diesen langen Momenten wie eine Marionette, die an langen Fäden von anderen Menschen im Hintergrund bewegt wurde.
Er lauschte seinem eigenen
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