129 - Im Vorhof der Hölle
gesäubert", erklärte Hermon. „Die Schüler werden mein Werk weiterführen. Ich werde in ihnen weiterleben. Da nun die weltlichen Gefahren für mich größer werden als die dämonischen, ist es Zeit zum Abtreten. Kleide dich festlich, Unga! Der König und sein Gefolge erwarten uns am Idan-Paß."
Unga begriff immer noch nicht, warum Hermon das Land, in dem er seine größten Triumphe feierte, so überstürzt verlassen wollte. Doch er gehorchte widerspruchslos. Ihn hielt sowieso nichts in Tibet; ihn zog es zurück in die Länder des Westens, wo seine Heimat war.
Unga legte seinen kostbaren roten Umhang um und schmückte sein Haupt mit der roten Mütze, die ihn als Vertrauten Padmasambhawas kennzeichnete.
Im Hof des Klosters hatten sich Hunderte von Rotmützen eingefunden. Sie lagen vor Padmasambhawa im Staub. Außerhalb der Klostermauern warteten Tausende weiterer Schüler des Lotosgeborenen; ihre Gewänder färbten das Land blutrot.
Als Hermon mit Unga aus dem Kloster ritt, stimmte die Menge Lobgesänge auf Padmasambhawa an, in denen jedoch ein wehmütiger Unterton mitklang.
Hermon hob die Arme, und seine Schüler verstummten sofort. Er sprach zu ihnen von der Unsterblichkeit der Seele und versprach, daß er immer bei ihnen sein würde, wo er sich auch befand - in unbekannten Fernen dieser Welt oder im Totenreich. Und er sagte ihnen, daß er dieses Land den Mächten der Finsternis entrissen hätte, so daß er getrost weiterziehen könnte, um seine Botschaft in andere Länder zu bringen, die noch von Dämonen beherrscht wurden.
„Ich komme eines Tages wieder", versprach er abschließend. „Ob in diesem Körper oder in einem anderen, den ein Lotos geboren hat, ist nicht von Bedeutung. Aber ehret den Namen Padmasambhawa!"
Hermon und Unga ritten an der Spitze gen Süden, und Hunderte von Schülern in ihren roten Gewändern folgten zu Pferd.
König Khrisrong-Idebtsan erwartete sie mit seinem Gefolge am Idan-Paß, Er gab ihnen das Geleit bis zur Grenze von Nepal.
„Haben wir dich so sehr enttäuscht, daß du uns verläßt, Padmasambhawa?" erkundigte sich der König schlicht.
„Du und dein Volk, König, ihr habt mir mehr gegeben, als ich mir je erwarten durfte", antwortete Hermon. „Ihr habt mir durch eure Haltung bestätigt, daß der Mensch, wenn er willens ist, seinen Geist rein zu halten, über die Mächte des Bösen triumphieren kann. Aber du und dein Volk, ihr steht einsam in der Welt da. Es gibt Länder, deren Bewohner noch nicht erkannt haben, daß der Glaube Berge versetzen kann. Ihnen muß ich helfen."
„Meinst du damit das Land der Rakshasa-Dämonen, von dem du soviel gesprochen hast?" fragte der König.
„Ja, ins Land der Rakshasa-Dämonen will ich ziehen", antwortete Hermon feierlich.
Unga wußte, daß Hermon damit die Länder der westlichen Welt meinte. Der Cro Magnon konnte es kaum noch erwarten, dorthin zu kommen.
Doch zuerst zelebrierte Padmasambhawa noch ein eindrucksvolles Zeremoniell. Er verschrieb sein geistiges Erbe den Rotmützen und machte verschiedene Prophezeiungen.
Unga aber merkte, daß dies nicht viel mehr als ein Ablenkungsmanöver von Hermon war. In Wirklichkeit ging es ihm darum, mit seinem Magnetstab ein entsprechendes Feld ausfindig zu machen, von wo aus sie zu einem anderen Ort springen konnten.
Endlich fand Hermon ein Magnetfeld. Er steckte es mit seinem magischen Zirkel ab und rief Unga zu sich.
„Mein gelehrigster Schüler und ich werden uns jetzt in die Lüfte erheben, um in das Land der Rakshasa-Dämonen zu fliegen und diese zu bezähmen", verkündete Hermon.
Kaum hatte er ausgesprochen, als Padmasambhawa sich mit seinem Diener Mahatma Unga vor den Augen seiner Anhänger und dem tibetischen König aufzulösen schien.
Die Legende aber berichtete, daß der Lotosgeborene sich tatsächlich in die Lüfte erhoben hat, um wie ein Göttervogel davonzufliegen.
Hermon und Unga kamen auf einer verwilderten Insel heraus, die von Dämonen beherrscht wurde. „Das ist nicht die Insel der Vulkane", erkannte Unga. „Hermon, wohin hast du uns gebracht?"
„Das ist das Land der Rakshasa-Dämonen", erklärte Hermon. „In diesen Breiten wird das Eiland aber schlicht Teufelsinsel genannt. Hier hat jeweils jener Dämon seinen Sitz, der sich als Oberhaupt der Mächte der Finsternis sieht."
„Und du willst es wagen, die Dämonen in der Hölle selbst anzugreifen?" fragte Unga unbehaglich. „Du hast doch keine Angst?"
„Nein", sagte Unga. „Du weißt, daß ich mit dir
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