129 - Im Vorhof der Hölle
Bewohner des Tales auf Anraten von Hermons Rotmützen weigerten, dem Dämon weiterhin zu gehorchen und ihm zu opfern, brachte dieser Schneestürme über sie, so daß etliche Yaks und Menschen erfroren. Hermon forderte Sham-po daraufhin heraus. Gleichzeitig lockte er auch die Klu genannten Wasserdämonen ins Tal, die sich in dem dortigen Gewässer niederließen.
Hermon suchte sich am Flußufer ein Magnetfeld aus, in das er sich mit Unga begab. In dem Bewußtsein, daß die Klu in ihrem Rücken lauerten und auf eine Gelegenheit warteten, sie zu überfallen, zogen die beiden einen magischen Kreis. Dann warteten sie auf das Erscheinen von Sham-po, der auch bald eintraf.
Der Dämon der Kälte zauderte nicht lange, sondern versuchte, die verhaßten Gegner mit seinem Kältehauch einzufrieren. Damit erreichte er aber nur, daß der Fluß vereiste und die Klu im Eise eingeschlossen waren. Denn Hermon und Unga hatten sich durch das Magnetfeld an einen anderen Ort begeben.
Sie kamen in einer Höhle heraus, wo Hermon eine magische Falle errichtete. Es dauerte nicht lange, bis ihnen Sham-po folgte. Auch er wurde vom Magnetfeld zur Höhle abgestrahlt.
Hermons Falle wurde wirksam. Der Dämon war gefangen.
Die Niederschrift dieser Ereignisse aber sah so aus: Padmasambhawa begab sich ins Tal Sham-po, wo ihn der Dämon Sham-po auf dem Gipfel eines Hügels erwartete. Sham-po nahm zur Tarnung die Gestalt eines weißen Yaks an. So näherte er sich dem scheinbar ahnungslosen Padmasambhawa.
Aus der Nase und dem Mund des weißen Yak wirbelten Schneestürme. Der Meister Padmasambhawa aber packte ihn mit dem Siegel des Eisenhakens an den Nüstern, legte ihm die Schlinge um, so daß er sich nicht mehr bewegen konnte, und die heilige Eisenfessel an. Dann schlug er mit dem Glockensiegel seinen Leib und seine Seele, woraufhin jener sein Herzblut gab und sich mit einem Eid Padmasambhawa verpflichtete. Es wurde ihm vom Meister ein Schatz heiliger Schriften anvertraut.
Darauf angesprochen, warum Hermon eine derartige Verzerrung der Wirklichkeit duldete, antwortete dieser dem Cro Magnon: „Ich finde, für mich ist es der wirkungsvollste Schutz, wenn meine Person von Legenden umrankt wird, so daß meine Feinde mein Herz nicht so leicht treffen können." Tatsächlich wurde Padmasambhawa am Ort seines Wirkens - wie auch in vielen anderen Teilen Indiens - schon zur Legende, während er selbst noch anwesend war.
Seine Anhängerschaft vervielfachte sich sprunghaft. Überall im Lande tauchten die Rotmützen auf, die den Namen des Padmasambhawa priesen.
Es gab aber auch Gegenströmungen, die zweifellos von den Mächten der Finsternis gelenkt wurden und Padmasambhawas Zauberei anprangerten und jegliche Magie ablehnten.
Hermon entging das nicht. Zu Unga, der ihn darauf aufmerksam machte, sagte er: „Mich verwundert's nicht, daß ich viele Neider habe, Unga. Selbst in Adels- und Bon-Kreisen, die nicht von den Mächten der Finsternis beeinflußt werden, erfreue ich mich nicht gerade großer Beliebtheit. Ich werde zu mächtig. Gegen Dämonen kann ich mich jederzeit schützen, aber gegen höfische Intrigen bin ich machtlos. Eines Tages werden sie mich zu Fall bringen, wenn ich nicht rechtzeitig die Konsequenzen ziehe."
„Vertraust du dem König nicht mehr, dessen Schutz du genießt, Hermon?" erkundigte sich der Cro Magnon.
„Zu Khrisrong Idebtsan habe ich volles Vertrauen", erklärte Hermon. „Aber er besitzt nicht die Allmacht. Und gegen Intrigen hinter seinem Rücken ist auch er hilflos. Wir werden die Konsequenzen ziehen, Unga."
Als Hermon dies zu seinem Freund und Diener sagte, hatte er längst schon einen festen Entschluß gefaßt. Doch er weihte den Cro Magnon nicht ein.
„Unga, wach auf!"
Der Cro Magnon sprang verwirrt von seinem Lager hoch und blickte sich gehetzt um.
„Wo sind wir?" erkundigte er sich. „Schon wieder in einem anderen Land?"
Er beruhigte sich schnell, als er Hermon in seinem Festgewand erblickte, das er als Padmasambhawa nur zu besonderen Anlässen trug.
„Bald werden wir in einem anderen Land sein", erklärte Hermon lachend. „Wir werden Tibet sofort verlassen, Unga."
Das verwirrte den Cro Magnon noch mehr.
„Du willst alles hier aufgeben, Hermon?" fragte er verständnislos. „Das Kloster bSam-yas, das dir mehr Schutz bietet als jede andere Festung? Und du willst deine Schüler im Stich lassen, denen du versprochen hast, sie zur Vollkommenheit zu führen?"
„Ich habe Tibet größtenteils von den Dämonen
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