1295 - Der neue Sotho
ich so flehentlich, wie es mir eben möglich war. „Eine halbe Stunde außerhalb des Tanks, unter normalen Temperaturen.
Dann hätte ich genug Kraft, die Kälte noch ein paar weitere Tage zu überstehen."
Er erschrak.
„Das... das kann ich nicht", stieß er hervor.
Ich verstand ihn falsch.
„Niemand braucht etwas davon zu erfahren", versuchte ich ihn zu beschwichtigen. „Du bist bewaffnet, ich habe keine Waffe. Ich werde diesen Raum nicht verlassen ..."
„Nein, nein. So meine ich es nicht", fiel er mir ins Wort. „Ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll, dich aus dem Tank zu befreien."
Mir fiel eine Last von der Seele. Er hatte keine Angst, etwas Verbotenes zu tun - wenn es überhaupt verboten war, mich eine Zeitlang aus dem Kryogen-Behälter zu lassen. Er verstand die Technik nicht. Das war das kleinste meiner Probleme. Ich kannte die Konstruktion des Tanks, und ich wußte genau, wie die Kontrollen zu bedienen waren.
Veth Leburian hatte mir es oft genug vorexerziert.
Ich erklärte Vinktar, wie er sich anzustellen hatte...
*
„Erkennst du mich jetzt, Ko?"
„Ich erkenne dich", antwortete die Stimme des Schiffes.
Wir sprachen Interkosmo. Vinktar hatte es sich wieder im Sessel bequem gemacht und störte sich offenbar nicht daran, daß ich mich einer Sprache bediente, die er nicht verstand. Ich ging in dem kleinen Kontrollraum auf und ab wie jemand, der sich unbedingt die Beine vertreten muß.
„Ich weiß, daß du mich nicht erkennst, wenn ich im Tank stecke", sagte ich. „Aber ich brauche Informationen. Ich weiß, daß Wichtiges im Gang ist. Ich muß mich vorbereiten können. Du mußt mich über alles, was außerhalb des Schiffes geschieht, auf dem laufenden halten."
„Das will ich gerne tun", antwortete Ko. „Du mußt verstehen, daß du eine andere geworden bist. Es war mir nicht möglich, dich zu identifizieren, solange du in dem Tank dort stecktest."
„Andere geworden?" fragte ich ungläubig. „Doch nur im Zustand der Unterkühlung?"
„Dann besonders", sagte Ko. „Aber selbst jetzt registriere ich eine fremde Komponente in der Emission deines Bewußtseins. Es vollzieht sich eine Wandlung in deinem Körper.
Es wird gut sein, wenn wir uns öfter auf diese Weise unterhalten können, damit ich registriere, wie die Veränderung fortschreitet."
Ich kam mir hilflos und verlassen vor. Was war ich? Ein Monstrum, dessen Körperstruktur willkürlichen und wahllosen Änderungen unterlag? Zum zweitenmal innerhalb kurzer Zeit wurde ich mit der Nase darauf gestoßen, wie wenig ich über mich selbst wußte. Der Körper war nach außen hin humanoid, menschlich. Aber was sich in seinem Innern abspielte, wußte niemand. Manchmal hatte ich eine höchst unfreundliche Meinung von denen, die für meine Existenz verantwortlich waren. Wenigstens ein paar Informationen hätten sie mir mitgeben können. Jedes denkende Wesen hat einen Anspruch darauf zu wissen, wer es ist.
„Du kennst meine Lebensgeschichte", sagte ich. „Wenn ich dringend mit dir zu sprechen habe, schildere ich dir einen Vorfall, von dem niemand anders etwas wissen kann. Dann mußt du glauben, daß du es mit mir zu tun hast, auch wenn ich dir fremd erscheine."
„So läßt es sich machen", antwortete Ko.
„Und jetzt erzähl mir, was los ist", forderte ich sie auf. „Wo sind wir? Was ist Boldar?
Warum habe ich das Gefühl, daß ein großes Ereignis unmittelbar bevorsteht? Und beeile dich. Ich habe Vinktar versprochen, daß ich nach einer halben Stunde wieder in den Tank krieche."
„Boldar ist der einsame Planet einer kalten, roten Sonne", begann Ko. „Er befindet sich in der Überlappungszone der beiden Galaxien Absantha-Shad und Absantha-Gom. Der Planet ist eine Wüstenwelt, dem Mars nicht unähnlich. Auf Boldar steht das ESTARTU-Tor, das eine Verbindung mit den Heraldischen Toren von Siom Som besitzt.
Die Überlappungszone der zwei Galaxien gilt als der eigentliche Sitz der Superintelligenz ESTARTU. Inmitten dieser Zone gibt es einen Bereich, den man den Dunklen Himmel nennt. Boldar und seine Sonne gehören zu den Gestirnen des Dunklen Himmels, aber wo sich ESTARTUS eigentlicher Sitz befindet, scheint niemand zu wissen."
Ich sah nach Vinktar. Unser Gespräch schien ihn nicht zu interessieren. Kos ruhige, ausgeglichene Stimme, deren Worte er nicht verstand, mußte eine einschläfernde Wirkung auf ihn ausüben. Mehrmals beobachtete ich, wie ihm der Kopf nach vorne sank und sich dann ruckartig wieder
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