1295 - Der neue Sotho
nach einem anderen Prinzip", fiel mir Ko ins Wort. „Er wurde durch das paramechanische Feld nicht beeinflußt."
„Aber warum, Ko...?"
Ich zitterte am ganzen Leib. Ich ahnte, daß etwas Entsetzliches geschehen würde.
„Was du jetzt hörst", sagte Ko mit ruhiger Stimme, „ist eine Aufzeichnung. Sie wurde vor etwa zehn Minuten angefertigt - kurz nachdem Sotho Tyg Ian mit seinem Boot den Planeten verlassen hatte."
Tyg Ians Stimme klang auf.
„Ich bezichtige euch des Kodexfrevels im Ersten Grad. Ihr habt es gewagt, eine Sotho-Maske anzufertigen, und dadurch gezeigt, daß ihr nie in der Lage sein werdet, die Lehren des Kodex zu verstehen, seine Weisheit in euch aufzunehmen. Zudem führt ihr gefährliche Fracht an Bord. Es ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, daß ihr nie nach ESTARTU gelangt. Ich will darüber hinaus ein Exempel statuieren, damit das Universum an eurem Beispiel lernt, daß Kodexfrevel nicht ungeahndet bleibt. Niemals wieder sollen eure unheiligen Gedanken frevelhafte Pläne aushecken können..."
„Was hat er vor?" schrie ich in heller Panik.
„Ich weiß es nicht", antwortete Ko.
Die Stimme des Sothos war verstummt. Dort, wo die GOMSTAR schwebte, blitzte ein grelles, orangefarbenes Licht auf. Es breitete sich aus. Es schien auf den Planeten hinabzuregnen. Wie eine Flüssigkeit verteilte es sich über die gesamte Oberfläche. Dabei verlor es keineswegs an Leuchtkraft. Es hüllte ganz Gateway in einen leuchtenden, orangefarbenen Mantel.
„Was ist das, Ko?" rief ich. „Sag doch..."
„Es läßt sich nicht analysieren", sagte das Schiff. „Nicht mit dem Wissen und den Geräten, die mir zur Verfügung stehen. Es handelt sich um eine Energieform, die uns unbekannt ist."
„Ko, es sind Menschen dort unten! Zehntausende, über einhunderttausend! Was macht er mit ihnen?"
Diesmal gab Ko mir keine Antwort. Da wußte ich, daß das Schlimmste, das Entsetzlichste geschehen war: Sotho Tyg Ian hatte die Hanse-Karawane vernichtet. Das orangefarbene Leuchten war das Fanal ihres Todes, das Licht über ihrem Grab.
Das war zuviel für mein Bewußtsein. Ich erinnere mich noch, daß ich schreien wollte, daß mir die Tränen in die Augen schossen. Ich erinnere mich an ein würgendes Gefühl im Hals und an einen stechenden Schmerz, als wolle mir das Herz in der Brust zerspringen.
Dann war plötzlich nichts mehr. Das Bewußtsein hatte sich ausgeschaltet.
*
Lange Zeit war ich zornig auf Ko. Ich hatte zwei Tage bewußtlos gelegen, und als ich wieder zu mir kam, setzte die Erinnerung nur zögernd ein. Es war, als gäbe es in meinem Gehirn einen Sicherheitsmechanismus, der verhinderte, daß die gräßlichen Bilder des Geschehens auf Gateway zu rasch auf mich einstürmten.
Ich beschuldigte Ko des Verrats. Sie hatte mich von Gateway fortgelockt, indem sie mir vormachte, die Hanse-Karawane könne sich selbst beschützen. Ko hätte wissen müssen, daß ich den Höllenplaneten auf keinen Fall verlassen hätte, wenn mir klargewesen wäre, daß die Hanse-Schiffe sich in tödlicher Gefahr befanden.
„Das weiß ich", antwortete Ko ruhig. „Und was hättest du damit erreicht? Du wärest jetzt ebenfalls tot, und mich gäbe es auch nicht mehr."
„Das ist kein Grund, notleidende Menschen im Stich zu lassen", schrie ich zornig.
„Es ist der beste Grund, den es gibt", behauptete Ko. „Wenn du dem ändern nicht helfen kannst, dann wende die Gefahr wenigstens von dir selbst ab."
Ich gab mich nicht zufrieden. Mindestens einhundertmal müssen wir diese oder eine ähnliche Unterhaltung auf dem langen Weg zur Milchstraße durchgespielt haben. Nur langsam begriff mein Verstand, daß Ko recht hatte. Wir hätten den Hanse-Galaktonauten nicht helfen können. Es wäre sinnlos gewesen, auf Gateway zu bleiben. Mein Zorn wurde durch emotionale Regungen ausgelöst. Mit Logik hatte er nichts zu tun.
Wochenlang waren wir unterwegs. Ich wechselte von relativ wachen Zuständen zu solchen, in denen ich meine Umgebung nur noch wie durch einen Schleier wahrnahm.
Manchmal mußte Ko mich fünfmal ansprechen, bevor ich reagierte. In den Phasen der Benebeltheit konnte ich kaum noch zusammenhängend denken. Vielleicht war das einer der Gründe dafür, warum sich unser Streit so lange hinzog.
Von Sotho Tyg Ian und seiner Flotte sahen und hörten wir nichts mehr. Bei dem Tempo, das die KOKON vorlegte, mußten wir sie längst überholt haben. Ko rechnete damit, daß wir sechs bis sieben Tage vor Tyg Ian am Ziel eintreffen
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