13 alte Esel
Specht mit Hubert unten um die Wette. Ziemlich zu Anfang hatte Andreas gebrummt: »Hier is viel mehr Gras als auf der Wiese. Und verkommt bloß .« Don Chaussee hatte den vorwurfsvollen Blick, der das Gemurmel begleitete, sofort verstanden. »Da hol ihn schon«, hatte er gesagt. Im Nu hatten auch die Kletten ihre neuen Klötzchen im Stich gelassen und waren hinter Andreas hergeflitzt, denn was Habakuk recht war, war Onkel Otto billig. Nun stöberten die drei Esel durchs herbstdürre Gesträuch, und im Gras raschelte Emil, der schnapsgezähmte Igel.
Nach dem Kaffee gesellte sich Franziska zu ihnen, die auf Uwe aufpassen sollte. Das hatte sie bisher nur widerwillig und mit langen Zähnen getan. Jetzt ließ sie den krähenden Uwe auf Onkel reiten und machte ihm nachher eine Kette aus Roßkastanien, wozu Don Chaussee die Anleitung und Hubert großzügig sein Messer mit dem Bohrer gab. Ihre Haare sahen noch immer fürchterlich aus, wie wenn Motten darin gehaust hätten, doch da sie selber sich höchst anziehend fand, war sie denkbar bester Laune, lachte, schwatzte unaufhörlich über das Fest und polierte alle fünf Minuten mit ihrem Taschentuch das Silberarmband.
Mit fortschreitendem Nachmittag wurde Hubert unruhiger. Eine Zeitlang war er ganz verschwunden, flüsterte bei der Rückkehr mit Leo und gab Don Chaussees besorgten Blick bockig zurück. Wozu es auch sein mochte — er war entschlossen. Gegen halb fünf fuhr Schwester Monika mit dem Rad ins Dorf. Sie winkte von der Straße herauf. Hubert war so sichtlich erleichtert, daß sich Don Chaussee mit steigender Unruhe fragte, was um Himmels willen er wohl vorhaben mochte.
Frau Martha war gleich nach dem Frühstück in die Stadt gefahren. Sie hatte kaum gesprochen und erschöpft und übermüdet ausgesehen. Jeden ersten Montag im Monat fuhr sie mit dem Bus in die Stadt, um die Einkäufe und Besorgungen zu erledigen, die sich im Lauf der Wochen in ihrem Notizbuch sammelten.
Im Haus waren nur noch Änne und Gerda. Änne flickte, und Gerda beschwerte sich in einem langen Brief an ihre Mami über die Kinder und das ordinäre Heim und den unverschämten Menschen, der ihr eine Ohrfeige zu geben gewagt hatte.
Gegen halb sechs war das alte Geländer ausgegraben und der letzte Pfahl für das neue eingerammt. Don Chaussee strich sich die erdigen Hände an der Hose ab und sah Leo an: »Macht nur die letzten Knüppel noch fertig und packt dann zusammen. Ich geh’ an den Omnibus. Bin in zwanzig Minuten wieder da .«
Die Kletten sprangen auf, um mitzugehen. Zum erstenmal wurde es ihnen verwehrt. »Spielt schön mit Franziska. Vielleicht macht sie euch auch eine Kette. Und vergeßt nicht, Onkel Otto auf die Weide zurückzubringen .« Sie nickten gehorsam, aber um die kleinen Münder zuckte es enttäuscht. Ohne den Mann war alles nicht halb so schön.
Don Chaussee wollte allein sein. Er mußte mit Martha sprechen. Im Weggehen sah er aus den Augenwinkeln, wie Leo und Franziska tuschelnd beieinander standen. Hubert war wie vom Erdboden verschluckt. Einen Augenblick zögerte er. Ob er nicht doch besser hier blieb? Dann stand ihm Marthas starres, angestrengtes Gesicht vor Augen und die mechanischen Bewegungen, mit denen sie am Morgen ihre Arbeit verrichtet hatte. Nein, er mußte mit ihr reden. Die Mauer mußte doch einmal fallen. Sie mußte wissen, daß er zu ihr gehörte. Wenn sie es nur begreifen wollte. Hubert konnte er doch nicht für immer von einem einmal gefaßten Entschluß abhalten, und Martha brauchte ihn. Es war ihm ganz gewiß, daß sie ihn brauchte.
Vergrübelt stapfte er die Straße entlang zur Haltestelle des Überlandbusses. Wie immer, wenn er an seine Frau dachte, fühlte er sich hilflos. Es war ein schönes Fest gewesen gestern, trotz allem. Ein bißchen turbulent manchmal, wie es bei diesen Kindern nicht anders sein konnte, und schließlich endend in heiterer Harmonie. Nur die Sache mit dem angesägten Geländer warf einen dunklen Schatten darauf; er hatte das Rätsel noch nicht gelöst. Und Martha hatte plötzlich die Nerven verloren. Den anderen war es im fröhlichen Gespräch wohl kaum auf gef allen; ihm schnitt es in die Seele. Wenn er bloß wüßte, weshalb sie so war! Er verstand sie nicht. Er mußte mit ihr reden. Weshalb wich sie jeder Gelegenheit dazu so beharrlich aus?
Dann entstieg sie mit Paketen beladen dem Bus, und alles, was er tun konnte, war, ihr die Pakete abzunehmen. Beim ersten Blick in ihr Gesicht wußte er, daß sie wieder nicht miteinander
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