13 alte Esel
rund !« Sein Gesicht war vor Begeisterung ganz jungenhaft. »Lagerfeuer?«
Die immer noch verstörte Miene seiner Frau brachte ihm zu Bewußtsein, daß er nicht in Texas war. »Schon gut«, sagte er hastig und errötete, »ich geh’ mal eben hin. Geh du zu den Sachen zurück. Ich komm’ sofort nach und helf’ dir tragen .« Weg war er.
Gleich versteifte sich ihr Nacken; sie dachte nicht daran zu gehen! Sollte es schon so weit gekommen sein, daß sie sich abschieben lassen mußte? O nein! Sie würde Ordnung schaffen. Schließlich trug sie immer noch die Verantwortung für das Heim. Hubert hätte tot sein können. Ein bodenloser Leichtsinn!
Sie hob den Kopf und machte einen Schritt auf den Tumult zu, auf die durcheinanderrennenden Esel, die mit den Kindern um die Wette brüllten, auf Huberts schweißglitzerndes Gesicht mit dem triumphierenden Grinsen, auf ihren Mann, der ihm fortwährend auf die Schulter klopfte und gestikulierend auf ihn einredete, jung und fremd. Sie machte noch einen Schritt darauf zu, drehte sich dann unvermittelt um und schlug den Weg zu ihren Paketen ein, mit hängenden Schultern, schleppend, müde und allein.
Das war alles so anders als bisher. Tumult — so etwas hatte es bei ihr nie gegeben. Es war der Beginn einer neuen Zeit, einer Zeit ohne sie. Alles, was ihr Mann darüber sagte, ging sie nichts mehr an. »Es ist unnütz«, beharrte sie stumpf und lustlos, als er ihr den Vorfall kurz darauf erklären wollte, »man darf seine Gesundheit nicht nutzlos aufs Spiel setzen. Frevel ist das !«
»Selbstbestätigung ist nicht unnütz«, erwiderte er geduldig zum drittenmal. »Für Menschen wie Hubert ist das lebenswichtig. Versteh das doch. Er ist so mit Energie geladen, so begierig, was zu tun, allen zu zeigen, daß er ein Kerl ist. Vermutlich wollte er heute sogar zeigen, daß er ein anständiger Kerl ist. Vorige Woche wollte er den Esel noch umbringen vor Wut, und dann hat er tatsächlich nachgedacht und sich durch eine halbe Schulbibliothek gefressen und überlegt, daß es eine viel bessere Sache wäre, ihm die Untugend abzugewöhnen .«
»Ah, und als Ergebnis seines Nachdenkens verbrennt er ihm das Maul! Und du bringst dich um vor Begeisterung darüber. Wenn das deine ganze große Tierliebe ist !«
»So ist das doch gar nicht. Wenn er nicht tierlieb wäre im Grunde seines verbockten Herzens, hätte es ihm wahrscheinlich mehr Spaß gemacht, ihm mit der Schleuder ein Auge auszuschießen. Versteh die Jungens doch! Sieh doch, wie er mit seinem Igel umgeht! Beißen ist fast unheilbar, und der Esel selber ist am unglücklichsten dabei, weil er in dauernder Angst und Abwehrbereitschaft lebt. Um gut zu ihm zu sein, muß man ihn erst dazu bringen, daß er es sich gefallen läßt. Ich verstehe eine Menge von Tieren, aber ich war die ganze Woche ratlos, weil ich nicht wußte, wie ich an den Esel ‘rankommen konnte. Jetzt hat Hubert es geschafft. Er hat eine Mischung von Mut, Einfall, sechstem Sinn und Zähigkeit entwickelt, aus der was werden kann. Also wenn ich denke, daß man jetzt wahrscheinlich ungefährdet an den Verbrecher ‘rankommen kann...« Seine Augen glänzten. »Versteh es doch«, bat er wieder eindringlich.
Sie preßte die Lippen aufeinander und schüttelte störrisch den Kopf. Nein. Man konnte sie hier hinauswerfen, ihre Arbeit zunichte machen, sie für unfähig erklären, aber niemand würde sie je dazu bringen, ihre innersten Anschauungen zu ändern. »Herankommen«, höhnte sie, »an einen Esel! Wozu muß man das denn? Was für einen Sinn hat das? Eine schöne Mischung, die du deinem Hubert da zusammendichtest!« Sie bückte sich nach ihrer Tasche. »Gehen wir lieber endlich hinein. Wir können ja nicht bis zum Abend hier herumstehen und uns streiten. Das ist noch weniger sinnvoll .«
Seufzend belud er sich mit den Paketen. Sie begriff es nicht. Ob sie denn nie begreifen würde, daß der innere Sinn einer solchen Tat wichtiger war als der äußere Anlaß, der äußere Nutzen? Daß man erst innerlich tüchtig werden mußte, ehe man es auch äußerlich werden konnte? Daß Hubert sich innerlich soeben entscheidend gewandelt hatte? Er schüttelte bekümmert den Kopf. Mit einem Anflug von Bitterkeit dachte er: Aber wer bin ich denn schon, daß ich von Nützlichkeit mitreden darf?
Auf der Terrasse kam ihnen Schwester Monika entgegen, Uwe auf dem Arm. Ein Anruf? Frau Martha sah gespannt hoch. Nein, sie sagte nichts davon. Uwe wechselte zu Don Chaussee hinüber, dem er freudig
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